Maribel Königer
Hôtel Carlton Palace -Chambre 763
Hôtel Carlton Palace, Paris, 22.8. – 26.9.1993
Der Künstler, das ist bekannt, zeigt als soziales Wesen wie andere Zeitgenossen die üblichen Verhaltensmerkmale: Er pflegt liebgewordene Gewohnheiten, sucht gern die Nähe von seinesgleichen und weiß ebenso mit seinen privaten Mittel hauszuhalten wie was er seiner offiziellen Rolle schuldig ist. Einer Kombination dieser Merkmale verdankt sich die Existenz der Künstlerhotels: eine vertraute Bleibe, in der man Kollegen und Groupies an der Rezeption treffen kann, meistens in der Preiskategorie der unteren Mittelklasse (zumindest bevor der einschlägige Ruf das Haus verändert), aber allseits anerkannt als standesgemäßes Logis fern vom heimatlichen Loft. Die Hotellerie trägt dieser Spezialisierung mit klingenden Namen Rechnung, so daß sich das “Chelsea” nicht nur am Hudson, sondern auch am Rhein und das “Carlton Palace” nicht nur an der Strandpromenade von Cannes, sondern auch am Boulevard Raspail in Montparnasse findet.
Der freie Schweizer Kurator Hans-Ulrich Obrist hat das – auch von ihm regelmäßig bewohnte – Pariser Hotel zum Ort und Thema einer Ausstellung gemacht. Sein Konzept hat nichts mit den üblichen Accrochagen zu tun, die einige Herbergen in sämtlichen Zimmern mit jenen Arbeiten veranstalten, die sie als Naturalien gegen Übernachtungen eingetauscht haben. In seinem Zimmer, in dem Obrist während der Dauer der Show auch lebt – was den Organisator in Personalunion auch zum Aufseher und Führer der Besucher macht -, hat er Exponate versammelt, die ihm an die siebzig (!) Künstler eigens überlassen haben. Aus dem (einschließlich des Badezimmers nur ungefähr 15 qm messenden) Raum ist so eine…