Rainer Unruh
Maria Lassnig
»Das Innere nach Außen«
St. Petri-Kirche zu Lübeck, 20.8. – 30.9.1994
Kunstverein Frankfurt, 17.12.1994 – 22.1.1995
Welche Farbe hat der Schmerz? Ist es überhaupt möglich, etwas so Ephemeres wie körperliche Empfindungen im statischen Medium des Tafelbildes angemessen darzustellen? Solche Fragen beschäftigen die österreichische Malerin Maria Lassnig seit fast 40 Jahren. In diesem Zeitraum ist ein Ouvre entstanden, das die Konzentration auf ein einziges großes Thema – die Künstlerin in ihrer Leibhaftigkeit – mit einem breiten Spektrum an malerischen Formen verknüpft.
55 Arbeiten aus den Jahren 1951 bis 1993, vom Amsterdamer Stedelijk Museum übernommen und verteilt auf die kalkweißen Wände und Säulen der Hallenkirche St. Petri zu Lübeck, erlauben es, die Entwicklung der Wahl-Wienerin nachzuvollziehen. Frühe Bilder zeugen vom Einfluß des Pariser Informel. Es entstehen kompakte Geflechte aus Farbbalken, die sich in der Mitte der Leinwand ballen. Keine Abkehr von der Welt, wie Maria Lassnig im Manifest zu der 1951 gemeinsam mit Arnulf Rainer in Klagenfurt organisierten Ausstellung “Junge unfigurative Malerei” notiert, sondern “eine konzentrierte Ansammlung aller ihrer Möglichkeiten und Widersprüche”.
Wichtig für Lassnigs weiteren Werdegang wird der in diesem Zitat anklingende erweiterte Wirklichkeitsbegriff. Realität ist nicht länger ausschließlich das, was die Sinne vermitteln, noch geht die Fülle des Seins vollständig in dem auf, was eine von allen Außenbezügen abstrahierende Introspektion in den Tiefen des Ichs ergründet. Lassnigs malerisches Interesse gilt Prozessen der Vermittlung, der Wechselwirkungen zwischen Subjekt und Objekt, die so stark sein können, daß beide miteinander verschmelzen – zum Beispiel im “Selbstporträt als Flower Bag”.
Ort dieser Begegnungen und Durchdringungen ist…