Peter Suter
Vor und zurück –
Bilderpaare als Verwandtschaftsproben I
Martin Disler, “Fenster zum Nervenfieber”, 1986. Da ist ein großer Kopf mit schwarzen Augen, die wie Höhlen sind in einer Umgebung, die selber wie eine Grotte ist, wie die feuchte Behausung dunkler Wesen. Unterhalb der Augen ist das Gesicht nicht zu erkennen. Es scheint von Spinnweben verhangen oder besudelt mit ausgeworfenem, blutvermischtem Schleim und ausgespucktem, giftigem Speichel.
Aber dann – wie bei einer glücklichen Verwandlung – öffnen sich in der Enge der aggressiven Malerei befreiende Durchblicke auf einen lichten Grund. Der alptraumartige Druck läßt nach, Helligkeit spült in die modrige Gruft hinein und die dunklen Schlingen lockern sich, so wie wenn verflochtene Algen von einer Strömung bewegt werden.
Über den Augenhöhlen stehen jetzt zwei gewölbte Fenster offen, das dämonische Schauen ändert sich und aus dem entstellenden Gewirr vor dem Gesicht wird ein leichter Schleier, der den geheimnisvollen Blick einer fremden Schönheit untermalt. Ohne Unterlaß verwandelt sich das Bild; die Malerei läßt ihm keine Ruhe, und was eben noch verführerische Anmut einer arabischen Nacht versprach, wird wieder zum bösen Traum, und was noch bedrohlich herausragte aus der Unruhe der heftigen Bewegung des Pinselgefechts als geschundenes Glied, wird zum rot glühenden Span eines langsam erlöschenden Feuers.
Paul Camenisch, “Engadiner Sommererinnerung”, 1959. Das Bild zeigt die Pracht des leuchtenden Ferienparadieses, aber was sich als Idylle vor uns ausbreitet, kann auch anders erlebt werden: Eine sengende Hitze hat die Vegetation ausgedörrt, sie verzehrt alles Leben und läßt es in giftigen Flammen aufgehen. Die Arven breiten ihre Äste aus wie…