vorheriger
Artikel
nächster
Artikel
Gespräche mit Künstlern · von Doris von Drathen · S. 284 - 299
Gespräche mit Künstlern , 1999

Doris von Drathen
»Die Künstler sind zu Eunuchen geworden«

EIN GESPRÄCH VON DORIS VON DRATHEN ANLÄSSLICH DER RETROSPEKTIVE IM ÖSTERREICHISCHEN
MUSEUM FÜR ANGEWANDTE KUNST, WIEN

Von Arte Povera oder materialbezogener Kunst weiß er wenig, dafür um so mehr von der Antike, aus der er unmittelbar zu stammen scheint. Jannis Kounellis, der Mitte der fünfziger Jahre, mit 20, von Griechenland nach Rom auswanderte, bezeichnet sich als ‘antiken Menschen’ und reagiert von dieser Position aus auf eine Welt, die in seiner Sicht einen kulturellen Erdrutsch erlebt und sogar noch nicht einmal bemerkt. Sein Credo heißt, nützlich sein im Sinne einer machtvoll eingesetzten Individualität. In seiner großen Retrospektive im Wiener MAK baute er im Mittelpunkt eine Installation, die man als Manifest gegen den Krieg auf dem Balkan verstehen kann. Im Licht dieser Aktualität gewinnen seine älteren Arbeiten, die in dem riesigen ringartigen Saalgang aufgebaut sind, eine neue, vielleicht oft nicht genug beachtete Radikalität.

*

Doris von Drathen: Warum nennst du die große Installation, oder sollte man sie eher eine Szenerie nennen, die mit ihren Planen, die über hochkant gestellte Eisenplatten und Kohlesäcke geworfen sind, an Zeltlager erinnert, “/bSarcofago degli Sposi”, Grabmal der Angetrauten? Die Zelte formulieren deutlich eine Vertikale, die leitmotivisch deine Arbeit prägt, ein Grabmal aber ist Inbegriff der Horizontalen –

Jannis Kounellis: Eins ist wichtig von vorneherein: Ich setze fast nie Titel, bei dieser Arbeit habe ich eine Ausnahme gemacht, ich wollte einen Unterschied schaffen zu anderen Ausstellungen. Es handelt sich hier also nicht um einen wirklichen Titel im literarischen Sinn. Ich fand ihn eher…



Kostenfrei anmelden und weiterlesen:

  • 3 Artikel aus dem Archiv und regelmäßig viele weitere Artikel kostenfrei lesen
  • Den KUNSTFORUM-Newsletter erhalten: Artikelempfehlungen, wöchentlichen Kunstnachrichten, besonderen Angeboten uvm, jederzeit abbestellbar
  • Exklusive Merklisten-Funktion nutzen
  • dauerhaft kostenfrei

von Doris von Drathen

Weitere Artikel dieses/r Autors*in