Louis Althusser:
Die Zukunft hat Zeit
So wie ich sie, bis in die geringfügigsten Einzelheiten, vollständig und genau in Erinnerung behalten habe, mir eingebrannt durch alle meine Prüfungen hindurch und für immer – zwischen zwei Nächten, der, aus der ich hervortrat, ohne zu wissen, aus welcher, und der, in die ich eingehen sollte, will ich sagen, wann und wie: hier die Mordszene, so wie ich sie erlebt habe.
Plötzlich sitze ich aufrecht, im Morgenrock, am Fußende meines Bettes in meiner Wohnung in der École normale. Ein grauer Novembertag – es war Sonntag, der 16. November, gegen neun Uhr morgens – dämmert links herauf, vom sehr hohen Fenster her, das schon seit langem von unvordenklich alten, von der Zeit verschlissenen und von der Sonne gebleichten Empire-Vorhängen umrahmt wird, und erhellt das Fußende meines Bettes.
Vor mir: Hélène, auf dem Rücken liegend, auch sie im Morgenrock.
Ihr Becken ruht auf dem Bettrand, ihre Füße schleifen auf dem Plüschbelag des Fußbodens.
Ganz dicht bei ihr niederkniend, über ihren Körper gebeugt, bin ich im Begriff, ihr den Nacken zu massieren. Schon oft ist es vorgekommen, daß ich ihr stillschweigend den Nacken, den Rücken und die Hüftgegend massiert habe: die Technik hatte ich von einem Kameraden in der Kriegsgefangenschaft gelernt, dem kleinen Clerc, einem Berufsfußballer und Experten in jeder Hinsicht.
Diesmal aber massiere ich ihr die Vorderseite des Nackens. Ich drücke meine beiden Daumen in die Höhlung des Fleisches im Umkreis des Brustbeines und erreiche so langsam, den einen Daumen links, den anderen rechts schräg aufstützend, den härteren Bereich unter den Ohren….