Kunstsommer in Marseille
Viel Energie im Schatten der Metropole Paris
von Annegret Erhard
Alle lieben die Provence. Das Licht, die Farben… jeder war schon überall. Marseille? Eher nicht. Eine heruntergekommene Hafenstadt, viel Migrationshintergrund (seit Jahrhunderten), noch mehr Kriminalität und passend dazu Arbeitslosigkeit. Ein Jammer. Denn die Stadt ist groß und stolz, hat, mal von der deutschen Besatzungszeit abgesehen, eine blühende Vergangenheit, eine bedeutende Geschichte, viel Energie im Schatten der gewohnt zentralistisch agierenden Metropole Paris. Nach Jahren des Niedergangs hat sie jedoch inzwischen einiges zu bieten. Insbesondere seit sie Kulturhauptstadt Europas war und mit den dazugehörigen Geldern vernachlässigte Altstadtviertel auf Vordermann bringen konnte. Das war 2013. Etwa zur gleichen Zeit hat sie sich darauf besonnen, Paris davon überzeugt, dass Kunst und Kultur treibende Faktoren einer Region sein können. Nicht nur für Touristen, die inzwischen in Scharen kommen und beispielsweise das Naturschutzgebiet der vor der Stadt liegenden Calanques stürmen.
Seitdem schwebt über dem riesigen Platz am neugestalteten historischen Vieux Port ein 46 mal 22 Meter großes Dach aus hochglanzpoliertem Edelstahl, entworfen von dem britischen Architekturbüro Foster + Partners. Gestützt von acht grazil wirkenden, sechs Meter hohen Säulen spiegelt der Pavillon das lebhafte Treiben auf der Piazza. Ein kühner Entwurf, der Urbanität als Lebensraum begreift, dem das Flüchtige eingeschrieben ist, der Schutz bietet und Gemeinsamkeit. Unweit, an den restlichen Bastionen der antiken Hafenmauern steht das Museumsensemble mit MuCEM und Villa Mediterranée.
Zu den Errungenschaften seit 2013 gehört auch La Friche, ein riesiges Kulturzentrum in einem ehemaligen Industriekomplex, einer Tabakfabrik im Stadtteil La Belle de Mai, angeblich das…