Jörg Restorff
Maurice Denis (1870-1943)
»Fin-de-Siècle und Neue Klassik«
Wallraf-Richartz-Museum, Köln, 22.1. – 2.4.1995
Maurice Denis, der “Nabi der schönen Ikonen”, wie man den frommen, sanftmütigen Maler genannt hat, war nicht nur der führende Theoretiker dieser symbolistischen Künstlergemeinschaft aus “Propheten der Moderne”, er schuf auch ihr “offizielles” Gruppenbildnis, die “Hommage an Cézanne” (Paris, Musée d’Orsay). In der Galerie des Kunsthändlers Vollard umringen Redon, Sérusier, Vuillard, Bonnard und andere Künstler der Vereinigung ein Stilleben des Spiritus rector der modernen Malerei. In ihren schwarzen Anzügen und dem würdevoll steifen Habitus erinnern die abgebildeten Personen, unter denen auch Denis selbst – diskret im Hintergrund allerdings – erscheint, an eine Trauergesellschaft – ein Eindruck, der noch dadurch verstärkt wird, daß das auf der Staffelei präsentierte Früchtestilleben den abwesenden Cézanne wie eine Reliquie vertritt.
Doch täuscht dieser Eindruck. Das Gemälde entstand im Jahre 1900 – sechs Jahre vor Cézannes Tod. Die sich der Bildformeln des Nekrologs bedienende Huldigung zu Lebzeiten kann als ein Versuch von Denis verstanden werden, den verehrten Meister, dessen elementare, allein auf Farbmodulierungen aufbauende Malweise in der zeitgenössischen Kritik noch heftig umstritten war, vorzeitig zum Klassiker zu apostrophieren. Post festum hat die Entwicklung der Kunst im 20. Jahrhundert diese Prognose eindrucksvoll bestätigt. Zugleich dokumentiert Maurice Denis’ Gruppenbild die kollektive Reverenz, welche die Nabis jenem Künstler erwiesen, von dem sie neben Gauguin die entscheidenden Impulse empfangen hatten. Die Botschaft kam an. Nach der Ausstellung des Gemäldes im Salon der Schönen Künste bedankte sich Cézanne für diese Bekundung “künstlerischer Sympathie”. 1906 schließlich, im Todesjahr von Cézanne, besuchte…