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Magazin: Publikationen · von Rainer Wick · S. 209 - 257
Magazin: Publikationen , 1975

RAINER WICK bespricht:
NEUE LITERATUR ZUR KUNSTSOZIOLOGIE

Daß sich die Kunstsoziologie im Konzert wissenschaftlichen Erkenntnisbemühens allenfalls durch ihre Randseitigkeit auszeichne, ist selbst unter Soziologen eine verbreitete Vorstellung, und in der Tat steckt die Kunstsoziologie, gemessen am Forschungsstand anderer sogenannter Bindestrichsoziologien (wie z.B. Familiensoziologie, Gemeindesoziologie, Organisationssoziologie u.a.), immer noch in den Kinderschuhen.

Die Ursachen dafür lassen sich im wesentlichen auf zwei Faktoren zurückführen.

Erstens hat die Soziologie ‘im Sinne einer empirischen Einzelwissenschaft’ (Rene König) in neuerer Zeit hinsichtlich der Erweiterung ihres theoretischen Radius wie auch der Steigerung ihrer methodischen Potenz erhebliche Fortschritte gemacht, so daß, wie Elmar Weingarten feststellt, ‘die Soziologie als Hilfswissenschaft für den Geisteswissenschaftler zunehmend unbrauchbar’ geworden ist, ‘da er die Komplexität des begrifflichen und methodischen Apparates nicht mehr zu durchschauen imstande ist.’ Sei es aus der Einsicht in die Insuffizienz kunstwissenschaftlicher Theoriebildung und in die Notwendigkeit interdisziplinärer Zusammenarbeit, sei es mit dem Ziel, die eigene Disziplin durch die Einführung sozialer Bezüge aufzuwerten, vielleicht gar von ihrem ‘verkümmerten Zustand’ abzulenken, wie Alphons Silbermann dies für die Musikwissenschaft aufgewiesen hat, forderten mit dem Gegenstand ‘Kunst’ befaßte Geisteswissenschaftler in den letzten Jahren wiederholt, künstlerische Manifestationen mit Hilfe soziologischer Kategorien zu interpretieren. So ist es inzwischen fast zu einem modischen Diktat geworden, Kunst in ihrem ‘gesellschaftlichen Kontext’, in ihrer ‘sozialen Bedingtheit’ zu thematisieren. Dabei kommt man indessen in der Regel kaum über sozialphilosophische Mutmaßungen oder vulgärmarxistische Klischeeargumentationen hinaus, sodaß die meisten dieser pseudosoziologischen Trivialuntersuchungen – zumal wegen ihrer Methodenmängel und ihrer Theorieschwächen – nicht wirklich zur Weiterentwicklung einer Kunstsoziologie auf dem Boden moderner soziologischer Theorien…


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