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Titel: Das Gartenarchiv · von Gislind Nabakowski · S. 202 - 203
Titel: Das Gartenarchiv , 1999

Anne & Patrick Poirier

Als Harald Szeemann seinen Text “Museum der Obsessionen” als Reaktion auf die Kunst der siebziger Jahre schrieb, war es seine Absicht, das Museum als einen Ort des Beens flüchtiger und fragiler Prozesse zu etablieren. “Fragil” und “Fragilität” sind in diesem klugen Text zentrale erkenntnistheoretische Begriffe, die in der Kunst ihren Ort finden sollten. Die zwölfteilige Fotoreihe “Fragility” von Anne und Patrick Poirier zeigt, jedes einzeln fotografiert, bereits dahinwelkende Blütenblätter von den Kelchen einer weißen Lilie (Lilium Candidum). Diese Blütenblätter haben eine weißlich-transparente Struktur. Sie sind parallel-nervig geädert. In der Botanik wird die Schönheit solcher gewachsenen Formen als eiförmig-lanzettlich beschrieben. Wie lose Blätter oder verzauberte Seiten eines Buches mit einer gewachsenen Textur wurden sie beschrieben. Dazu war die Feder in rot leuchtende Tinte getaucht. Die Punkte, an denen die Schrift sich findet, wurden zuvor durch Einstiche und Verletzungen markiert. Wie bei einem intravenösen Eingriff haben die Blütenblätter die wie Blut leuchtende Flüssigkeit in sich aufgesaugt. Manchmal liefern sie den Untergrund für nur ein einziges Wort, ein andres Mal für eine längere Assoziationskette. Einige, einzelne Buchstaben, Wörter oder Fragmente davon, sind bereits ausgelöscht, verfallen, besonders die längsten Botschaften sind unlesbar oder nie bis zu Ende geschrieben. Zu entziffern: Sex – Fragility – Wounds – Membre – Hunger – Intentiones – Occultae – Ruins – Exile – Intuitio – Tears – Black Ash. Lose mit den Blättern verbunden sieht man wie “natürliches Handwerkszeug” den mit rotem Staub besetzten Blütenstengel. Jeder Kelch einer Lilie weist sechs Blätter auf. Es wurden darum…

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von Gislind Nabakowski

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