Nora Sdun
Aufzeichnungen aus dem laufenden Betrieb
„Da es aber weder Schein noch Sicherheit gibt, bleibt das einzig probate Mittel,
nicht unsicher zu werden: gar nicht erst sicher sein zu wollen …“
(Walter Serner)
Für die Analyse von Konflikten haben Soziologen ein handliches Besteck entwickelt. Es gibt „Win-Win“-, „Win-Lose“- und „Lose-Lose“-Situationen. Für den Bereich bildende Kunst könnte man den Baukasten ergänzen um den wichtigen Bestandteil: „Weiterwursteln“, denn natürlich gibt es einzelne wahnsinnig erfolgreiche Akteure, über die man in den Zeitungen lesen kann, in der Überzahl sind und bleiben sie „Weiterwurstler“.
Nachfolgend einige Aufzeichnungen aus dem laufenden Betrieb einer Hamburger Galerie.
Kunden I
Ein sich anbahnender Verkauf von Kunst kann durch Gerede so verwirrt werden, dass potenzielle Kunden nie wieder auftauchen. Das ist nicht heroisch, sondern idiotisch, Kunstverkaufen ist, auch wenn es gelingt, idiotisch.
Eine ältere Dame betrachtet eine kleine Zeichnung, auf der dunkle Aktenregale in die Tiefe eines Behördenflurs fluchten. Sie äußert ihr gerührtes Interesse und will diese Zeichnung gerne für ihren Gatten erwerben, der, wie sie sagt, ein „Büchernarr“ ist. Obwohl mir „Büchernarren“ suspekt sind, weise ich die Dame darauf hin, dass es sich bei den auf der Zeichnung auszumachenden Rechtecken nicht um Bücher, sondern um Aktenordner handelt. Es sind Strafakten des Hamburger Amtsgerichts. Sie ist erstaunt und ungläubig und lässt sich erst durch den Hinweis, dass doch seltsamerweise alle „Bücher“ gleich groß seien, überzeugen. Sie erklärt nun, dass sie die Zeichnung trotzdem haben will, da sie es damit, ob es Akten oder Bücher sind, nicht so genau nimmt und…