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Essay · S. 242 - 249
Essay , 1990

Die Hoffnung auf »ästhetische Erkenntnis« im aktuellen philosophischen Diskurs.

1973 noch sprach Rüdiger Bubner vom Verstummen der Philosophie vor der Kunst. Davon kann heute keine Rede mehr sein. Schon eher davon, daß es zur Zeit von Ästhetikern nur so wimmelt, wie schon Jean Paul in der Zeit der Romantik monierte. Seit den achtziger Jahren ist Ästhetik als allgemeine Theorie der Wahrnehmung, aber auch als Theorie der Kunst in der Philosophie aus den verschiedensten Motiven heraus zu einem zentralen Thema geworden, wenn Philosophen nicht gleich etwa zu literarischen Formen gegriffen haben, um ihre Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Dabei geht es allerdings meist weniger um die Erstellung einer gewohnten Theorie mit umfassendem Anspruch denn um eine vernunftkritische Abnabelung von den Mitteln, die bislang philosophisches Denken und Reflektieren ausgezeichnet haben.

Philosophie ist auf der Suche nach einem neuen Verständnis von Rationalität und Vernunft, das der Erfahrung gerecht werden kann und sie nicht einseitig reduziert. Dabei kommen die bislang von der Vernunft abgespaltenen Formen der Erkenntnis zur Geltung, die auch ein anderes Verständnis von Wirklichkeit implizieren. Die metaphysische Vorstellung, daß Philosophie eine Gesamt- oder Grundwissenschaft sein soll, ist schon allein deswegen nicht mehr aufrechtzuerhalten, weil die einzelnen Wissenschaften und selbst Zweige innerhalb einer Wissenschaft nicht mehr durch eine Metatheorie zu integrieren sind, sondern in regionale Ratio-nalitätsbereiche auseinanderfallen. Immer deutlicher hat sich überdies herausgestellt, daß Wahrheit nicht festgestellt, sondern hergestellt wird, daß Theorien eine Praxis stützen, sie aber nicht begründen, daß Gesetze, Regeln und Formeln als Handlungsanweisungen zur Konstruktion zu verstehen sind, kurz: daß die wissenschaftliche…

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