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Ausstellungen: Köln · von Norbert Messler · S. 381 - 382
Ausstellungen: Köln , 1993

Norbert Messler
Lateinamerikanische Kunst im 20. Jahrhundert

Josef-Haubrich-Kunsthalle, Köln, 9.2. – 25.4.1993

Gibt es so etwas wie eine “Geo-Pornographie” der modernen Kunst? Die Frage stellt sich, wenn man die Ausstellung “Lateinamerikanische Kunst im 20. Jahrhundert” genauer betrachtet. Unser europäisches Auge wird, wenn es den Titel liest, in den entsprechenden Bildern (und Installationen und Plastiken) von einer (kolonialen?) Sehnsucht nach mythischer Ferne, Exotik und uns unbekannten Symbolen und Zeichen geleitet. – Naturwüchsiges wäre doch schön, oder? – Von Neugier getrieben erwarten wir zwar keine Kunst, die gänzlich außerhalb des europäischen und nordamerikanischen Schattens existiert hätte; noch viel weniger können wir erwarten, daß wir von einem unbekannten fremdländischen Zauber vollends überrascht werden. Wir erwarten aber, daß die lateinamerikanischen Künstler sich irgendwie vor uns entkleiden, bildlich gesprochen, um uns ihre ästhetischen Reize zu offenbaren: ihre Kulte vielleicht, wie sie in den unterschiedlichsten Medien der Kunst wieder auftauchen. – Ihre Naturreligionen, ihre Ethnographien, Mythologien usw.

Diese Erwartungen entsprechen dem Klischee und sind wohl immer noch der kolonialen, eurozentrierten Seh- und Denkweise verpflichtet. Sie werden in dieser Ausstellung nicht eingelöst. Im Grunde findet eine Umkehrung des Sehens oder des Entdeckens statt. Denn wir, die Europäer (und mit uns die Nordamerikaner), werden von den lateinamerikanischen Künstlern “entdeckt”, könnte man denken. Diese umgekehrte Entdeckung ist in weiten Teilen der Ausstellung wie ein roter Faden, historisch, thematisch, technisch und ästhetisch. Sie kulminiert in einer interessanten Thematisierung von Identifikation und Distanz.

Uns zeigt sich diese umgekehrte Entdeckung zunächst darin, wie die Kunst Lateinamerikas zu Beginn des 20. Jahrhunderts, vollends akademisch ausgerichtet, auf die…


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