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Ausstellungen: Frankfurt a.M. · von Martin Blättner · S. 321 - 323
Ausstellungen: Frankfurt a.M. , 1995

Martin Blättner
Nicolas de Staël

»Retrospektive«
Schirn Kunsthalle, Frankfurt, 24.9. – 27.11.1994

Zertrümmerte Bildarchitekturen mit Formen, die Bruchstücken gleichen und an entwurzelte Bäume erinnern, türmen sich im dunklen Bildraum zu pastosen und schweren Farbschichten in Braun und Grau auf: mit dem gestischen Pathos gemalt, das aus dem Schock der Nachkriegssituation von 1946 – 48 resultierte und die existentialistisch geprägte, informelle Malerei der fünfziger Jahre vorbereitete. Der Bezug zur Außenwelt – der sich nur vereinzelt durch Bildtitel wie “Raum in Crans” nachweisen läßt – ist freilich keineswegs unmittelbar, die Gemälde der wohl ausdrucksstärksten Werkphase des Kronprinzen der École de Paris müssen zunächst einmal wie abstrakt-autonome Kompositionen gelesen werden, auch wenn zweifellos die Schilderung der düsteren Bilanz der Zerstörung indirekten Eingang in die Bildwelt von Nicolas de Staël (1914 bis 1955) gefunden hat. Das Formale – so wissen wir seit Paul Klee – darf und soll mit dem Weltanschaulichen verschmelzen – kann aber die Abstraktion zugleich auch mit der Wahrnehmung der sichtbaren Außenwelt eine Einheit bilden, ohne daß es zu unvereinbaren Vermengungen konträrer Sichtweisen kommt? Eben mit diesem Problem wurde der gebürtige Russe baltischer Herkunft bei dem Versuch konfrontiert, den Weg der Moderne in umgekehrter Entwicklungsrichtung zu gehen. Die Tragik seines Werdegangs war vom schwer erreichbaren Ideal vorbestimmt, die Kluft zwischen der verinnerlichten Subjektivität mit der Eigengesetzlichkeit der natürlichen Harmonie zu überbrücken. Der Konflikt zwischen dem Bewußten und Unbewußten, dem formalen Kalkül und der automatischen Niederschrift ist nur in einem sehr schwierigen Balance-Akt in Einklang zu bringen. Die düsteren Nachkriegs-Gemälde in Paris verraten noch…



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von Martin Blättner

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