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Titel: Betriebssystem Kunst · von Kathryn Hixson · S. 110 - 113
Titel: Betriebssystem Kunst , 1994

Betriebssystem: Der Thermostat
Software: Courtesy HAHA

Wendy Jacob, Laurie Palmer, Richard House, John Ploof
Von Kathryn Hixson

Der Thermostat ist ein Gerät zur konstanten Registrierung eines Milieus, wenn man so will: seines spezifischen Temperaturschwankungs-“Kontextes”. Er kann überall eingesetzt werden und übt immer die gleiche Funktion aus. Er läßt sich so justieren, daß er die Temperatur auf einem bestimmten Niveau konstant hält, auf dem Siedepunkt im Heizkessel, um den Gefrierpunkt im Kühlraum oder auf Zimmertemperatur im Wohnraum. Der Thermostat selbst tut dabei nicht viel. Er verarbeitet Informationen aus dem Milieu, dem er zugeordnet ist, und wenn die Temperatur dort ansteigt oder absinkt und damit von der eingestellten Höhe abweicht, übermittelt er der Heizung oder Klimaanlage das Signal, sich einzuschalten.

HAHA ist eine Gruppe von Künstlern, die wie ein Thermostat arbeitet. Auf einer Kunstmesse justierte sich die Gruppe auf die “Blick”-Temperatur und konstruierte einen Treppenaufgang, der den Besuchern gestattete, über die Stellwände der Stände zu “blicken”. In einem italienischen Schloß registrierte HAHA die Temperatur der Erinnerungen der Dorfbewohner an die reichen Leute, die einst in diesem Schloß gelebt hatten. Sie bauten eine sensitive Camera obscura, die auf die soziopolitische Landschaft “blickte” und sie “reflektierte”. Auf den Kopf gestellt erweist sich diese Reflexion als wunderschön – touristisch und traurig. In Chicago forderte HAHA die Kunstwelt auf, sich in das Milieu rechtloser Afroamerikaner zu begeben und Kindern beim Schwimmen zuzuschauen. Die Nässe, gepaart mit dem auferlegten Unbehagen an diesem Voyeurismus, steigerte das Gefühl für die soziale Aussichtslosigkeit.

In Grenoble stellte HAHA eine mit knallrotem Lippenstift beschmierte Kamerahülle aus,…



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