Thomas Wulffen
Betriebssystem Kunst
Eine Retrospektive
Unter dem Begriff “Betriebssystem Kunst” soll in der folgenden Darstellung ein Komplex zeitgenössischer Kunstformen vorgestellt werden, der sich in den vergangenen Jahren als eine wichtige Tendenz aktuellen Kunstschaffens abgezeichnet hat. Zeitgenössische Kunst muss heute als ein System verstanden werden, das spezifische Strukturen ausgebildet hat, besondere Prozesse kennt und bestimmten Regeln gehorcht. Struktur, Prozesse und Regeln bilden innerhalb des gesamtgesellschaftlichen Gefüges einen relativ eigenständigen Komplex. Die für die Aufrechterhaltung dieses Komplexes notwendigen Bedingungen werden hier unter dem Stichwort “Betriebssystem Kunst” zusammengefasst.
Dabei ist zu unterscheiden zwischen Kunstformen, die sich auf das Betriebssystem Kunst beziehen und in der folgenden Darstellung als “Betriebssystem Kunst als Kunst” in Anführungsstriche gestellt werden, “Betriebssystem Kunst”, und die Strukturen, Prozesse und Regeln, die das Betriebssystem konstituieren und als Begriff ohne Anführungsstriche aufgeführt werden. Dabei tritt eine wesentliche Schwierigkeit zutage, die dem Thema eingeschrieben ist: Die Kunstformen des “Betriebssystems Kunst” konstituieren das Betriebssystem Kunst mit. Zuweilen wird deshalb eine analytische Darstellung dieser Unterscheidung an ihre eigenen Grenzen stossen.
Diese Darstellung konzentriert sich vor allem auf das “Betriebssystem Kunst” und wird damit dann auch das Betriebssystem Kunst thematisieren.
Deren wesentliches Kennzeichen ist der Selbstbezug, die Autoreferenz. Darüber hinaus gibt es kein charakteristisches Formeninventar. Historische Vorläufer wie Broodthaers Künstlermuseum, die frühen Untersuchungen von Daniel Buren, die Kunst André Caderes und die Forschungen innerhalb einer strikten Conceptual art bilden die Basis.1 Als einen Ausgangspunkt für die Entwicklung des “Betriebssystems Kunst” werden in dieser Darstellung die Kunstformen angenommen, die unter dem Begriff “Realkunst-Realitätskünste” zusammengefasst wurden.2
Die Einführung nimmt Begriffsklärungen vor, stellt mögliche…