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Titel: Betriebssystem Kunst · von Thomas Wulffen · S. 90 - 91
Titel: Betriebssystem Kunst , 1994

Patrick Corrillon: Legende als Werk

Von Thomas Wulffen

Die großen Erzählungen der modernen Kunst sind Vergangenheit. Mit dem Ende der großen Erzählungen sind auch die großen Künstler verschwunden und die großen Werke. Was übrigbleibt, ist ein Patchwork der Minderheiten (Lyotard), das Gleichwertigkeit gegenüber dem Konkurrenten behaupten kann. Gegen diese Gleichwertigkeit stemmt sich das Werk von Patrick Corillon. In der Gestalt des Oskar Serti versammeln sich alle Mythen der modernen Kunst.1 Oskar Serti ist Schriftsteller, wurde 1881 in Budapest geboren und ist 1959 in Amsterdam gestorben. Diese Daten bezeichnen ungefähr die heroische Zeit der modernen Kunst.2 Patrick Corillon geht den Spuren Oskar Sertis nach, indem er dessen Biographie konstruiert. Dabei dient ein spezifisches Werk jeweils als eine Art Abbildung für eine bestimmte Erzählung. Diese Objekte sind Konstruktionen wie die Erzählungen. Für den Betrachter und Leser aber wird das Verhältnis zwischen Erzählung und Objekt nicht soweit verdeutlicht, daß deren Hierarchie geklärt ist. Wer war zuerst da, das Objekt oder die Erzählung? Diese Frage berührt im wesentlichen die historische Vermittlung von Kunst, die auch eine Art Übersetzung ist. Es war die Gestalt Picassos oder van Goghs, die den Weg ebnete zu den Werken. Patrick Corillon geht umgekehrt vor, obwohl er sich auf diese Biographien bezieht. Der Betrachter sieht das Objekt und erhält danach eine historische Einordnung in die Erzählung “Oskar Serti”. Das ermöglicht zwei Sichtweisen des Objekts, mit und ohne Hintergrund. Eine Ausstellung in der Produzentengalerie Hamburg zeigte mehrfach geteilte Wandarbeiten. Die Legende, im wahrsten Sinne des Wortes, dazu lautet:

“Als er im Oktober 1954 vom…

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