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Titel: Betriebssystem Kunst · von Frank Barth · S. 190 - 192
Titel: Betriebssystem Kunst , 1994

Bogomir Ecker:
H2O + CO2 + CaCO3 Ca(HCO3)2

Die Tropfsteinmaschine
Von Frank Barth

»Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt.«
Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie.
MEW, Bd. 13, Berlin (Ost) 1961

Das Streben der abendländisch-technischen Zivilisation nach Beherrschung der komplexen biosphärischen Prozesse führte zu exponentiell fortschreitender Anhäufung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse als Basis hochentwickelten instrumentellen Handeln. Mit dem Siegeszug der Mechanisierung schien das Ziel, auch den Faktor Zeit utilitaristischen Gesichtspunkten zu unterwerfen, in scheinbar greifbare Nähe gerückt. Dies ist der Hintergrund, vor dem das Projekt “Die Tropfsteinmaschine” des Düsseldorfer Bildhauers Bogomir Ecker paradox agiert.

Die Verknüpfung der Substantive “Tropfstein” und “Maschine” läßt Vorstellungen vom Natürlichen mit denen vom Künstlichen kollidieren und Aspekte des Stabilen mit solchen des Labilen. Die Ebenen zweier auseinanderstrebender begriffsimmanenter Zeitlichkeiten scheren harsch gegeneinander: Die eine, Langsamkeit, Trägheit und Dauer, bildet mit der anderen, Geschwindigkeit, Beschleunigung und Punktualität, eine widersprüchliche innere Reibung, deren Energie jene besondere Korrespondenz konkreter Raum/Zeit-Abhängigkeiten aktiviert, welche die Existenz des Projekts von seiner Entwicklung und Planung über die Ausführung der Konstruktion bis hin zum Betriebsreglement minutiös determiniert.

Existenz ist Interaktion und Interferenz zwischen differenten Systemen. Das die Prozesse steuernde und regulierende Basisprogramm nennen wir Betriebssystem. Das Betriebssystem von “Die Tropfsteinmaschine” ist der Herstellungs-, Wirkungs- und Deutungszusammenhang “Kunst”, der durch die Apparatur als Analogie verstofflicht und sichtbar abgelagert werden wird:

“Die Tropfsteinmaschine” ist autonome Apparatur, ihr Betriebszweck ausschließlich auf den Betrieb selbst ausgerichtet. Befreit vom Diktat des Gebrauchswerts, funktioniert sie im architektonischen Gefüge, dem sie implantiert ist, als Vehikel imaginärer Reisen zu den archaischen Wurzeln…



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