Eva Schmidt
Das andere Gedächtnis
Kampnagel K 3, Künstlerhaus Weidenallee, Westwerk u.a., Hamburg, 14.6. – 28.7.1991
Im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts – dem die “Mnemosyne” Aby Warburgs als Motto einer feministisch verstandenen kunstwissenschaftlichen Forschung voransteht – und in Kooperation mit mehreren Ausstellungsorten ist die Zusammenstellung von Arbeiten jüngeren Datums zu Gedächtnis und Erinnerung entstanden. Was anfangs als thematisches Auswahlkriterium galt, wurde im Verlauf der Auswahl durch zusätzliche Kriterien gestärkt: das Thema in seiner ganzen Vielfältigkeit zu zeigen, z.B. in einem Spektrum verschiedener Medien. Daß ausschließlich Künstlerinnen versammelt sind, ergibt sich aus dem Rahmen des Forschungsprojekts. Daß das andere Gedächtnis eine weibliche Angelegenheit sei, wird nicht explizit behauptet; es soll hier aber gegen die Unterrepräsentanz von Künstlerinnen im allgemeinen Ausstellungswesen gearbeitet werden: So mischt sich Kulturpolitik in das Thematische.
Weder wollen bzw. sollen die Werke illustrieren, noch sind sie direkt für den Zusammenhang entstanden; sonst gäbe es wohl eine neue “Genre”-Kunst. Kein Wunder, daß man zunächst feststellt, daß es das andere Gedächtnis nicht gibt. Denn es soll ja nicht so monolithisch gebaut sein wie das gegensätzliche offizielle: das monumentale, zäh konservative Gedächtnis, das sich der Historie verschrieben hat. Eher erlaubt das andere Gedächtnis ein metaphorisches Gleiten vom Subjektiven zum Allgemeinen, es erkennt das Konstruieren und das Vergessen in der rückwärtsgewandten Aufmerksamkeit.
Mit “Spurensicherung” beschrieb man jene künstlerischen Arbeiten zu Beginn der siebziger Jahre, die sich mit dem Erinnern und Rekonstruieren beschäftigten, ohne daß das Fundmaterial Teil einer Beweisführung sein könnte. Das Sammeln, das Aneinanderreihen gleichermaßen wie die Zerlegung, Zusammenfügung, Wiederholung sind wohl die grundlegenden Tätigkeiten…