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Essay · von Amine Haase · S. 274 - 277
Essay , 2011

Amine Haase
Das Leben ein Roman

Wie aus Literatur Bilder entstehen können – Louise Bourgeois wird zu Eugénie Grandet

Moi, Eugénie Grandet – Ich, Eugénie Grandet: Das klingt wie ein letztes Bekenntnis einer Künstlerin, deren Arbeit von vielen Bekenntnissen begleitet war. Louise Bourgeois, die sich mit der traurigen Romanfigur von Honoré de Balzac identifiziert, zumindest in dem Ausstellungstitel, hat ihren Auftritt in der Pariser Maison de Balzac* nicht mehr erlebt. Am 31.Mai 2010 ist sie fast hundertjährig gestorben. Doch sie hat die Ausstellung noch intensiv mit vorbereitet. In einem Interview berichtete sie im September 2009 von dem Projekt und ergänzte: „Ich liebe diese Geschichte. Es könnte die Story meines Lebens sein.“ Die 1833 veröffentlichte Erzählung von Balzacs Eugénie, die unter der Strenge des geizigen Vaters und der Hilflosigkeit der kränkelnden Mutter zu ersticken droht und auf ein eigenes Leben verzichtet, ist natürlich nicht die Geschichte von Louise Bourgeois. Hätte es ihre sein können, wie sie vermutet?

Ihrem Hang zu unkonventionellen Bekenntnissen machte Louise Bourgeois erst spät Luft, 1982 während ihres ersten künstlerischen Groß-Auftritts im Museum of Modern Art. Mit über siebzig enthüllte sie die Geschichte ihres treulosen Vaters, ihres leichtlebigen englischen Kindermädchens und ihrer Mutter, die das Arrangement im eigenen Haus Jahre lang duldete. Und sie erzählte die Story danach immer wieder, so dass aus dem eigentlich Banalen ein fetischisiertes Ritual wurde, das der Künstlerin kreative Flügel wachsen ließ. „Ich vergebe nicht und ich vergesse nicht. Das ist das Motto, das meine Arbeit nährt“, sagte…


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