Helmut Schmidt
Das reale und das vorgestellte China
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Helmut Schmidt, geboren 1918 in Hamburg, seit Ausscheiden aus dem Bundestag Mitherausgeber der Wochenzeitschrift DIE ZEIT, war von 1974 bis 1982 Bundeskanzler, zuvor einst Innensenator und später Minister. Bereits in den 60er Jahren war China ein favorisiertes Objekt seiner Wahrnehmung. Schon früh und als einer der Ersten im Land der Mitte das Potential zu einer Großmacht witternd, bereiste er es in regelmäßigen Abständen immer wieder. Um mit ihm über sein anderes Bild von der ältesten Weltkultur, über deren plötzlichen Fall und unerwarteten Wiederaufstieg zur Weltmacht zu sprechen, traf sich Heinz-Norbert Jocks mit Helmut Schmidt in seinem Hamburger Büro im Haus der ZEIT. Exakt zwei Stunden dauerte das Gespräch, das kurz vor der Tibet-Krise geführt wurde. Dieser Mann, der sich mit dem, was er denkt, so quer zur Meinungsmache und den Klischees stellt und der neben Willy Brandt, dem Visionär, zum Macher deklariert wurde, gilt heute als eine von der abwägenden Vernunft geleitete Instanz wie sonst niemand in der Politik. Der Philosoph Peter Janich bezeichnete ihn bei der Vergabe der Ehrenpromotion als „einen Aufklärer außerhalb des akademischen Betriebs“, der gleichwohl mit seinen Bemerkungen zu Kant („Maximen des politischen Handelns“, 1981) kontroverse Kommentare der etablierten Kantforschung ausgelöst habe.
Helmut Schmidt macht es dem Interviewer nicht gerade leicht, weil er durch den Ton, den er anschlägt, und zwischen den Zeilen unüberhörbar zu verstehen gibt, dass er in seinem Alter zum einen weder die Zeit für überflüssiges Geplauder und Ungenauigkeiten noch überhaupt die…