Andreas Schmid
Der Weg von der Kalligraphie zur Gegenwartskunst
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Andreas Schmid, 1955 in Stuttgart geboren, lebt und arbeitet als freischaffender Künstler, Autor und Experte für zeitgenössische chinesische Kunst in Berlin. Er lebte mehrere Jahre in der Volkrepublik China und war als Ausstellungsmacher mit an der Schau „China Avantgarde“ im Berliner „Haus der Kulturen der Welt“ beteiligt. Mit ihm sprach in Berlin Heinz-Norbert Jocks über seine Erfahrungen und Wahrnehmungen in China.
H.-N.J.: Nun gehörtest du zu neben Hans van Dijk dem Kuratorenteam der Ausstellung „China Avantgarde“, die 1993 im Berliner „Haus der Kulturen der Welt“ zu sehen war. Worum ging es euch?
A.S.: Wir wollten damals zeigen, dass es in der chinesischen Gegenwartskunst eine große Vielfalt gibt, die sich von dem sehr unterschied, was damals gemeinhin im Westen bekannt war. Es gab so gut wie keine Informationen. Ja, die zeitgenössische Kunst in China existierte in den Augen des Westens überhaupt nicht. Gerade einmal die Tonkrieger, ein bisschen die klassische Kalligraphie und da mehr deren verkitschte Derivate aus Freundschaftsläden neben schwülstigen Ölbildchen und Aquarellen mit Fischen und Sonnenuntergängen. In Europa war man damals offensichtlich noch nicht so weit, die Entwicklung und Eigenständigkeit der chinesischen Kunst in den 80er Jahren überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, obwohl es erste Ansätze gab: Fei Dawei, der 1989 im Zuge der Repression nach Paris übergesiedelt war, hatte gleich zu Beginn der 90er Jahre in Südfrankreich eine große Land art -Ausstellung mit sechs Künstlern gemacht, die sich alle im…