Li Xianting
Der Abschied von der Ideologie
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Li Xianting, Beijinger Kritiker und Publizist, 1949 geboren, war in den 80er Jahren so etwas wie ein theoretischer Geburtshelfer der Avantgarde, dabei Erfinder einprägsamer Begriffe wie „zynischer Realismus“ und einer der ersten Vermittler, der im Westen das Bild von der chinesischen Kunst stark prägte. Er konzipierte Ausstellungen wie „Moderne chinesische Tuschmalerei“ (Tokio, 1990), „China’s New Art. Post 1989“ (zuerst Hongkong, 1993), „Mao goes Pop“ (Museum Contemporary Art Sydney, 1993), „New Chinese Art” (Kunstmuseum in Vancouver) oder „Der Abschied von der Ideologie“ (Kulturfabrik Kampnagel, Hamburg, 1995). 1993 arbeitete er auch mit an der Konzeption des chinesischen Beitrags zur 45.Biennale in Venedig. Zudem ist er Initiator des Künstlerdorfes Songzhuang und zudem Direktor der Galerie für zeitgenössische Kunst, die das Herz des Viertels bildet. Nach Meinung von Li Xianting beruht die chinesische Avantgarde-Kunst noch auf der persönlichen Identität des Künstlers. Da er alle, die avantgardistisch arbeiten wollen, um sich versammelt, gilt er als deren Repräsentant. Ihm schicken Künstler aus anderen Regionen Fotos von ihren Werken, um von ihm Ratschläge zu erhalten und ermutigt zu werden. Von den Künstlern wird er liebevoll als Vater der zeitgenössischen Kunst bezeichnet.
In Songzhuang, draußen auf dem Land, eine Stunde von Beijing entfernt, bewohnt er ein kleines und einfaches Haus. Um dort hinzufinden, benötigt man einen ortskundigen Fahrer. Wegen des schlechten Gesundheitszustandes von Li Xianting war es bis kurz vor unserem Treffen unklar, ob er das Interview geben können würde. Am Morgen dann die Bestätigung per Handy,…