Olivier Richon:
Die Allegorie der Allegorie
Ein Gespräch von Rainer Metzger
Es war schon die zweite Begegnung. Das erste Mal lernte ich den Schweizer Künstler, der seit 15 Jahren in London lebt und an einer Kunsthochschule Fotografie lehrt, im Herbst 1990 auf dem Fotosymposion in Graz kennen. Hier zog er anhand eines ausführlichen Diavortrags ein Resümee seines bisherigen Schaffens. Im September 1992 kam es dann im Rahmen der sehr gelungenen Ausstellung “HELVETIA (condensed) – Fotokunst aus der Schweiz” des “Foto e.V.” in München zu einem längeren privaten Gespräch, aus dem sich das Interesse zu einem Interview auf eine fast natürliche Weise entwickelte.
Olivier Richon ist ein bildender Künstler, der seine eigene Produktion gewissenhaft reflektiert und daher sehr dezidiert und präzise zu seinen Werken Auskunft geben kann. Er ist ein Analytiker, der auf experimentelle Weise seine allegorischen Darstellungen konstruiert.
*
Justin Hoffmann: Ein Großteil Ihres Werks scheint der Tradition der allegorischen Darstellung und damit einer metaphorischen Ebene der Signifikation verhaftet zu sein.
Olivier Richon: Bei genauerer Betrachtung gibt es zwei Definitionen der Allegorie. Eine davon ist die konventionelle, bei der alle Elemente eines Bildes eine bestimmte Bedeutung besitzen, die vom Betrachter decodiert werden soll, ein Geheimnis bergen, das von ihm erst gelüftet werden muß. Die Information ist codiert und zu interpretieren. Es gibt noch eine andere Form der Allegorie, die man vielleicht als ihre zeitgemäße Form bezeichnen könnte. Bei dieser steht die Allegorie in Beziehung zu ihrer eigenen Bilderfindung. Das meine ich, wenn ich in bezug auf meine Arbeiten von Allegorie der Allegorie spreche. In der modernen…