Michael Hübl
In para-metaphysischer Trance
Balka, Eliasson, Najjar und eine Spur Giotto: Wie sich die Gegenwart der Kunst spiegelt und verliert
Undurchdringliche Verdunkelung in London, animiertes Leuchten in Berlin. Die Methoden da wie dort ähnlich, die Wirkung eher gegensätzlich. In der Tate Modern 1: ein gradueller Einstieg in absolute Dunkelheit, zumindest wenn man allein war zwischen den mit schwarzem Schaumstoff beflockten Wänden eines aufgestelzten Containers, die nicht nur Licht, sondern auch Schall absorbierten. Eine Black Box der finstersten Sorte, solange der Besucher-Benutzer-Betrachter nicht umgeben war von halb verängstigten Kunstpassanten, die Blitzlichtgewitterchen erzeugten, indem sie versuchten, das All Over umfassender Dunkelheit auf die Chips ihrer Handys zu bannen, weil sie den intensiven Reiz-Entzug ebenso wenig aushielten wie ein Konzertpublikum, das just während einer allersubtilsten Pianissimo-Passage von ununterdrückbaren Räusper-Reizen, Raschel-Impulsen oder Husten-Attacken heimgesucht wird. Dagegen im Martin-Gropius-Bau 2: das reine Eintauchen in Licht und Farbe, in Licht als Farbe, so, als ob Sehen und Leuchten eins wären. Und so, dass in dieser gleichsam porentiefen Illumination visuelle Wahrnehmung an sich erfahren wird und die Netzhaut nicht dem gewöhnlichen Erkennungs-Dienst unterliegt, der dafür sorgt, dass ein Tisch als Tisch und die Mona Lisa als Mona Lisa identifiziert wird.
Beide Ausstellungen sind das Terrain für einen falschen Freund aus Italien: ‚sensazione‘ 3. Wenn jemand kein Italienisch spricht und nicht italienisch denkt, wird er wohl bei diesem Wort eine Sensation erwarten. Ein überwältigendes Mega-Ereignis, das einem den Atem raubt oder die Sprache verschlägt, ehe man sie überhaupt gefunden hat. Oder das einfach den üblichen Standard kapitalistischer Gesellschaften bildet,…