Jochen Becker
L’art pour l’institution
Die Bezahlte Kritik
»Auf subtile Weise lockt das Museum sein Publikum mit der Aussicht auf Enthüllung: gezeigt wird subversive Kunst und die eigene liberale Haltung gegenüber solcher Kunst; aber in seiner mangelnden Bereitschaft, sich selbst an diesen Enthüllungen zu beteiligen, stabilisiert es ebenso subtil seine Autorität – auf Kosten der Möglichkeiten der Kunst, die es präsentiert.«
Jan Avgikos, »Eigengift«, abgedruckt im Katalog »Nachtschattengewächse«, Kassel 1993
Thomas Wulffen scheidet – verstehe ich es recht – zwischen kunstimmanenter Reflexion über den Betrieb “Kunst” und dem Betrieb selbst. “Betriebssystem Kunst” ist somit die Erweiterung der “Kunst über Kunst” als Kunst über den Kunstbetrieb, wobei nicht nur den Bedingungen des Farbauftrags (z.B. konkrete Malerei) oder der Form eines Objekts (z.B. Minimal art) nachgegangen wird. Nunmehr wurde die Beschaffenheit des Kunst-Systems (Raumsituation, Besitzverhältnisse, Machtkonstellationen, Regeln des Geschmacks etc.) Teil der Arbeit.
Ich möchte in diesem Text einer l’art pour l’institution nachgehen, die sich als Folge gezielter Ladung “institutioneller Kritik” zu Gruppenausstellungen vermehrt abzeichnet: Kunst-Kritik nicht nur über, sondern für den Kunstbetrieb. Isabelle Graw nannte dieses normative Vorgehen kürzlich “Ideologiekritik als Auftrag”1. Ich werde hierbei weniger auf die unzweifelhafte Notwendigkeit einer der Konzeptkunst nahestehenden Kritik der Institutionen eingehen. Vielmehr interessiert mich die Diskrepanz zwischen der zum Teil weitreichenden Selbstbefragung des Betriebs und der zumeist fehlenden praktischen Umsetzung ihrer dadurch gewonnenen Erkenntnisse. Die Widersprüche zeigen sich besonders deutlich im Verhältnis der Katalogtexte zur Realisierung der Ansprüche.2 Dem möchte ich entlang ihrer Konfliktlinien folgen.
»Das Museum kommt seiner Verantwortung insofern nach, als es eine wichtige Thematik…