Heinz-Norbert Jocks
Der Geist der Schwelle im Licht tradierter Rituale
Für Erich Wolfgang Skwara
“Wann habe ich das Erlebnis ‘Haus’ gehabt? Nach einem erschöpfenden, gefährlichen Weg, bei der Beendigung einer glorreichen –
auch eingebildet glorreichen – Arbeit, beim Stillsitzen gegen Abend, beim Stillsitzen in der tiefen Nacht.”1
“Ein Regenwurm kroch über die Schwelle im Haus, mit Spur – ich habe heute das Bedürfnis nach einem Schwellenschmuck; wo ist der Schwellenjuwelier, – maler, -architekt?”2
“Was verlangt ein Haus? – keinen Eigentümer, sondern einen Hüter; es verlangt, gehütet zu werden” 3
“Die Schwelle hilft mir zum Leben. Ich glaube, da bin ich in der Tat, einmal, zum Entdecker geworden. Und wie hilft sie mir zum Leben? Indem sie mich verlangsamt, Raum um Raum.” 4
Ein Lob der Schwelle klingt in unseren Tagen anachronistisch, vielleicht sogar hinterwäldlerisch. Bestenfalls eigensinnig. Jedenfalls völlig konträr zur gegenwärtigen Erfahrungswelt einer mehr und mehr im Internet surfenden, dort mehr und mehr ihre libidinösen Kontakte im Ortlosen knüpfenden, sich dort auslebenden, dabei das Zeitgefühl verlierenden und zudem Geschäfte abwickelnden Menschheit. Wer heute auf die Dringlichkeit wie Notwendigkeit eines neuen oder modifizierten Schwellenbewusstseins pocht, weil er sich seine himmlische Freude an den feinen Differenzen erhalten, statt sich einem naiven oder vereinfachten Raumgefühl hingeben will, gilt als so uncool wie ein Zeitgenosse ohne Handy. Ja, ein klares Bewusstsein vom Übergang zu haben, mutet so gegengängig an, dass daraus bereits Kunst wird, sobald jemand mitten auf der Straße seine selbstgebastelte Zelttelefonkabine aus Demonstrationsgründen aufschlägt. Er will darauf hinweisen, dass das heute in aller Öffentlichkeit statthafte Telefonieren einst eine inzwischen…