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Fragen zur Zeit · von Michael Hübl · S. 36 - 39
Fragen zur Zeit , 2007

Michael Hübl
LVMH statt XXL

Olafur Eliassons Arbeit “Eye See You” oder Das Feintuning der Sinne als Eingangsritual in die Welt des Luxus und der Moden

Wenn in Venedig die Biennale beginnt, spätestens dann, werden sie wieder Konjunktur haben: hochgewachsene Männer von tiefschwarzer Hautfarbe, die unförmiges Reisegepäck im XXL-Format mit sich schleppen. Es wird gefüllt sein mit Luxusprodukten jener Labels, die als Adelsprädikate des Konsumismus begehrt und hier als veritable Schnäppchen zu erwerben sind. “Vucompra” werden die afrikanischen Händler von den Italienern genannt. Da schwingen Ironie und Geringschätzung mit, wie sich der deutschen Übersetzung leicht entnehmen lässt: “Duwillkaufe”. Das ist eine Frage, und manche Passantin wird ihr nicht widerstehen mögen. Andere werden das “Vucompra?”, das sie dank ihrer Bildung längst als “Vuoi comprare?” identifiziert haben, günstigstenfalls mit einer knappen Verhärtung ihres Blickes quittieren. Oder sie werden die Zumutung, angesprochen zu werden, lässig, wie ein paar Tropfen lauen Lagunenregens, an sich abperlen lassen. Sind sie sich doch im Klaren darüber, dass die Verkaufsmigranten nur Fakes anbieten, billige Fälschungen, die wer weiß wo hergestellt wurden. Und sie wissen auch, dass das Schöne, Wahre, Teure nicht um jeden Preis zu haben ist, weil der Kenner sehr wohl die Unterschiede kennt zwischen einer echten Louis-Vuitton-Tasche und nachgemachtem Ramsch.

Andererseits: Wer schaut wirklich so genau hin? Wer hat schon den durch und durch geschulten Blick des Conoisseurs? Rasen nicht fortwährend alle möglichen Reize auf die Menschen ein – Reize, die im ultrabeschleunigten Zeitalter der technischen, ökonomischen und sozialen Globalisierbarkeit gar nicht mehr in Ruhe analysiert, ausgewertet oder verarbeitet…


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