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Titel: Documenta IX · von Michael Hübl · S. 158 - 163
Titel: Documenta IX , 1992

MICHAEL HÜBL
Deutschland

EIN FRAGMENT MIT 24 KÜNSTLERN

Sprachspiele

Bougainvillea. Yazmin – Robot – Bikini. Cayenne. Oberkampf – Micmac. Dien-Bien-Phu. Mururoa-Touamotou. Noa-Noa. Tarahumara. Mairie de Montreuil. Eine mysteriöse Wortfolge? Entschlüsselbar. Die Auflösung: Eine Tropenblume, die nach dem französischen Weltumsegler benannt wurde. Eine Pflanze, die betörenden Duft verströmt – ein Begriff, der Schwerstarbeit verspricht – ein Atoll, das der Zerstörung geopfert wurde. Die Hauptstadt von Französisch-Guayana. Ein nordamerikanischer Stamm, dem sich die Franzosen während des Unabhängigkeitskrieges zu verbünden suchten. Ein Kriegsschauplatz in Vietnam, an dem 1954 das Ende der französischen Herrschaft in Indochina besiegelt wird. Ein weiteres Atoll, das der atomaren Zerstörung anheimgegeben wird. Gauguins illustriertes Tagebuch von der ersten Tahiti-Reise. Ein Stamm im Herzen Mexikos, bei dem Artaud für drei Monate lebte. Ein Endbahnhof der Pariser Metro-Linie Nr. 9.

An sie knüpfte Lothar Baumgarten an, als er um die Jahreswende 1986/87 im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris seine Arbeit »Acces aux quais« installierte und dabei die Namen der Stationen gegen Stichworte aus der Geschichte des Kolonialismus und seiner Folgen austauschte. Die Methode ist eindeutig, die historische Dimension eröffnet sich als ein System weitverzweigter Informationen. Es bestünde also auch bei Lothar Baumgarten nicht die Notwendigkeit, der Kunst das fatale Wort »Mysterium« überzustülpen, das Jan Hoet Monate vor der documenta-Eröffnung als eine Art Zauberformel, die alles und nichts erklärt, ins Spiel brachte. »Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen«, sagt Wittgenstein, eine Aussage, die für die bildenden Künste schon deshalb von Belang ist, weil sie indirekt deren prinzipiellen Unterschied zu den…


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