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Titel: Documenta IX · von Amine Haase · S. 131 - 136
Titel: Documenta IX , 1992

AMINE HAASE
Marats Badewanne

ÜBER DIE VERZWEIFLUNG UND DIE HOFFNUNG DER KUNST

Eines haben die sieben Künstler, von denen Jan Hoet je ein Werk für den documenta-Turm ausgesucht hat, gemeinsam: Sie sind mit ihrem künstlerischen Schaffen Ausnahmen von den Regeln ihrer Zeit, Außenseiter in der Kunst, Außenseiter im Leben – und oft Janus-gesichtig wie der Turm selber. Sieben, magische Zahl – die sieben Tage der Woche, die sieben Planeten, die sieben Himmel, die sieben Äste des kosmischen Baumes des Schamanismus. Sieben Werke erdachte Hoet sich für sein Pantheon: Davids »Der Tod des Marat«, Ensors »Selbstporträt mit Blumenhut«, Gauguins »Wohin gehst Du?«, Giacomettis »Nase«, Newmans »Moment I«, Beuys’ »Wirtschaftswerte« und Byars’ »White figure«.

Jacques-Louis David (1748-1825) ist berühmt als Pionier des Klassizismus, als Maler heroischer Szenen (Der Schwur der Horatier, 1784) und des Hofes (Die Krönung Napoleons, 1806-07). Vergessen wird allzu leicht die dazwischenliegende Zeit, die revolutionäre Seite dieses ehrgeizigen Trägers des Prix de Rome, vergessen, daß er Abgeordneter im Nationalkonvent wurde und Präsident des Clubs der Jakobiner, daß er als Anhänger von Robespierre eine Zeitlang im Palais du Luxembourg festgesetzt wurde – und daß er den toten Revolutionshelden Marat malte (1793), das beeindruckendste Zeugnis seines politischen Idealismus und künstlerischen Neuerungswillens. Der Tod des Helden war kein Anlaß zu heroischem Erinnern, sondern für ein realistisches Dokument.

James Ensor (1860-1949) lebte in seiner Heimatstadt Ostende wie ein Fremder. Er wurde erst anerkannt, als er sich »beruhigt« hatte, mit etwa siebzig Jahren. Er hatte gemalt, um die Welt zu ertragen, und er ertrug die Welt, weil er…


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