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Titel: Documenta IX · von Nikolaus A. Nessler · S. 191 - 194
Titel: Documenta IX , 1992

NIKOLAUS A. NESSLER
Südamerika

AUF DEM WEG ZUR GLEICHBERECHTIGUNG

Im Februar 1922 fand in São Paulo die “Semana de Arte Moderna” (Woche der modernen Kunst) statt. Ein markantes Datum für Kunsthistoriker und -kritiker, die darin eine Art Einführung der Moderne in Brasilien, wenn nicht in Südamerika, sehen wollten. Wenngleich es unsinnig ist, von diesem Zeitpunkt wie von einer Datumsgrenze in der Kultur zu sprechen, so liegt der Begriff »Einführung« nicht ganz daneben.

Die Avantgarde in Südamerika hatte ihren Anfang in Europa genommen. Von Lazar Segall in Brasilien bis Oswaldo Guayasamin in Equador waren fast alle Künstler früher oder später in den europäischen Zentren und hatten dort studiert. Vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die jüngere Vergangenheit war es für jeden Maler, Bildhauer oder Architekten, Literaten oder auch Wissenschaftler obligatorisch, wenigstens einige Monate in seinem Leben in Europa, bevorzugtermaßen in Paris, verbracht zu haben. Heute ist dies nicht anders, in der Orientierung scheint eine starke Zentrifugalkraft zu wirken, auch wenn man nun New York und Los Angeles in die Palette der Zielpunkte einbezieht. Die Gründe dafür sind kulturgeschichtlicher Natur.

Um hier aber genauer zu unterscheiden, muß zwischen der Geschichte Brasiliens und der des übrigen lateinamerikanischen Kontinents eine Trennungslinie gezogen werden. Die Portugiesen, die Brasilien kolonisierten, waren bereits in Europa eine von arabischen bis mitteleuropäischen Einflüssen durchmischte Kultur und anders als die Spanier mit einer schwankenden kulturellen Identität ausgestattet. Entsprechend offen zeigte sich dieser Charakter im Kontakt mit den indigenen Kulturen, besonders aber mit den afrikanischen Traditionen, die durch die Sklaven aus Nigeria und Ghana…


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von Nikolaus A. Nessler

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