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Titel: Konstruktionen des Erinnerns · S. 216 - 221
Titel: Konstruktionen des Erinnerns , 1994

3. Mnemo-Topologien: Präsenz und Repräsentation
Die Abwesenheit Gottes

Von Wolfgang Müller-Funk

Sehnsucht nach Bildern

Die Sehnsucht nach Bildern und deren prinzipielle Verwerfung, von diesem Spannungsverhältnis lebt das, was man – vereinfacht gesagt – die abendländische Kultur nennen könnte im Sinne einer Formation, die sich von anderen kulturellen Großkomplexen unterscheidet. Im 4. Jahrhundert nach Christi Geburt wandte sich Konstantia, die Tochter eben jenes Kaisers Konstantin, der das Christentum als mehr oder minder verbindliche Staatsreligion im Römischen Reich einführte, an den Bischof Eusebius mit der Bitte um ein Bild Christi: “Wie kann ich ihn denn verehren, wenn er nicht sichtbar ist und ich ihn nicht kenne?” Die Bitte wurde verweigert, denn das Göttliche an Christus sei nicht darstellbar und das Menschliche nicht darstellungswürdig. Späteren Datums ist jene Legende, wonach Papst Sylvester Kaiser Konstantin mittels der Bildnisse der Apostel Petrus und Paulus bekehrt haben soll. Das Konzil von Elvira (306) hat wiederum die Anbringung von Gemälden verboten, weil “der Gegenstand der Verehrung und Anbetung nicht an die Wand” gehöre.1 Dieses Verbot ist im Verlauf der nachfolgenden Geschichte sowohl erneuert und bekräftigt als auch annulliert worden und führte im Oströmischen Reich zu einem regelrechten Krieg, bei dem das Pro und Kontra der bildlichen Darstellung Gottes, des Göttlichen und Heiligen wenigstens den auslösenden Faktor gebildet hat – ein Krieg um Bilder, ein Kuriosum in der an Aberwitzigkeiten gewiß nicht armen Geschichte Europas.

Es lohnt sich, die Argumente der Kontrahenten Revü passieren zu lassen. Leider sind uns die Argumente der Bildergegner, der Ikonomachoi bzw. der Ikonklasten, nicht direkt überliefert, sondern…


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