Berlin
Evoking Reality.
Konstitution von Wirklichkeit in Fotografie und Videokunst
Daimler Contemporary 24.11.2018 – 10.06.2019
von Ingo Arend
„Was soll man mit dem Wissen anfangen, das Fotos von fernem Leiden vermitteln? Menschen sind oft nicht imstande, die Leiden derer die ihnen nahestehen, zu verkraften“. Das fragte die amerikanische Kritikerin Susan Sontag 2003 in ihrem berühmten Essay „Regarding the Pain of Others“. Hinter dem Entsetzen, mit dem wir diese Leiden beziehungsweise ihre Repräsentationen betrachten, stecken oft Neugier und Voyeurismus. Unsere imaginäre Nähe zu dem Leiden, so Sontag, suggeriere eine Verbindung, die eigentlich nicht existiere. Und unser vorgebliches Mitgefühl entlaste uns von dem Gedanken, (ungewollter) Komplize der Ursachen für die Leiden zu sein.
Einen echten Ausweg aus diesem Dilemma weisen auch die Arbeiten der jüngsten Schau der Daimler Art Collection nicht. Wenn es etwas gibt, das die knapp 50, erst kürzlich erworbenen und teils zum ersten Mal ausgestellten Werke zusammenhält, dann die konzeptionelle Raffinesse, mit der sie sich dem Vorhaben nähern, real existierende Spannungen und Konflikte auf der Welt visuell zu reflektieren. Und damit ein differenzierteres Verständnis von Realität und den Möglichkeiten ihrer Repräsentation eröffnen.
Der südafrikanische Fotograf Guy Tillim kommt eigentlich von einem dokumentarischen Background her. In seiner Serie „Congo Democratic“ nähert er sich Methoden der Bildverweigerung an. Darin fängt er die explosive Zeit während der ersten freien Präsidentschafts- und Parlamentswahlen seit 40 Jahren im Kongo im Jahr 2006 ein. Zu sehen sind nicht die traditionellen Bildnarrative oder linearen Erzählungen, wie man sie aus Reportagen kennt. Die Bilder zeigen zwar Menschenmengen, etwa vor einem Standbild von…