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Ausstellungen: Hamburg · von Jens Rönnau · S. 385 - 388
Ausstellungen: Hamburg , 1996

Jens Rönnau
Ilya Kabakov: »Der Lesesaal«

Deichtorhallen, Hamburg, 19.4. – 28.7.1996

Kabakov inszeniert Kabakov – getrost kann man die Ausstellung “Der Lesesaal” in einer der beiden Hamburger Deichtorhallen so überschreiben. Es ist eine Retrospektive seiner Arbeiten aus den Jahren 1956 bis heute mit Schwerpunkt auf den 80er und 90er Jahren, keine gewöhnliche allerdings, sondern eher eine Ausstellung über die Ausstellung. Es war dem Künstler zuwider, seine Werke für den oftmals üblichen Express-Ausstellungsbesucher zusammenzubringen. Keine “touristische” Darbietung wollte er, sondern eine Schau, die zum Verweilen einlädt, denn, so Kabakov im überraschend handlichen Katalog, ihm scheine es, daß bei einer der üblichen Kurzbesichtigungen “der ganze Inhalt und Kontext der ausgestellten Arbeiten verlorengeht”. So stellte er sich die Frage, wie man das “gleichmäßige Weitergehen ‘bremsen'” könne, wie man “den Betrachter möglichst lange vor einer Arbeit festhalten und einen Dialog zwischen ihm und ihr eröffnen” könne. Im folgenden gerät der Katalog zum skizzenhaften Anleitungsbuch, teilweise zum Essay einer allgemeinen Ausstellungsdramaturgie, die jeweils die russische Manuskriptseite des Künstlers zeigt nebst einer englischen und deutschen Übersetzung.

Das Ausstellungs-Verweildauer-Verlängerungsrezept Kabakovs lautet “Lesesaal”. Der Besucher muß einen zugezogenen Vorhang passieren und betritt einen hallenartigen Raum mit Lesetischen, Katalogpulten und großen Gemälden an den Wänden, die teils an wissenschaftliche Schau- und Lehrtafeln erinnern, teils einfach an große “Bilderschinken”, wie sie zum Interieur des 19. Jahrhunderts gehörten, aber auch zum sozialistischen Werbebilder-Alltag. Der Raum ist den üblichen russischen Provinzbibliotheken der 60er und 70er Jahre nachempfunden, hätte sich jedoch auch in Frankreich und anderswo finden können. Statt Büchern gibt es in der Hamburger Schau…


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