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Essay · von Stephan Schmidt-Wulffen · S. 70 - 71
Essay , 1985

Im Prinzip – Konstruktiv

Von Stephan Schmidt-Wulffen

Augenblicklich kursiert sie wieder, die »Wetterhäuschen«-Theorie. Wie verwickelt auch immer die Debatten um die Entwicklungsgesetze der Kunst waren, die unter der Überschrift »Postmoderne« geführt wurden. Einfacherem gehört die Gunst der Stunde. Die Behauptung von der Zyklischen Wiederkehr des Gegensätzlichen macht die Runde. Der Herr mit dem Regenschirm, der Tiefdruck signalisiert, ist auf dem Rückzug ins dunkle Versteck und zaubert dadurch seine Gegenspielerin, die Hochdruck genießende Dame im Dirndl hervor. Im Klartext: Nach der vernunftschwangeren Ich-ferne der Konzeptkunst die subjektive Ausdruckslust »wilder« Malerei, nach dem Bilderrausch nun also wieder konstruktive Strenge.

Daß die expressive Malerei stagniert, weiß auch der erfolgreiche Galerist, der augenblicklich noch die großen Bilder gerne zeigt. Daß jetzt eine »Verdauungsphase« eintritt, hält er für ganz normal. »Die Sehnsucht nach neuen Denkansätzen, die spürt man ja an sich selber. Das ist ja eine ganz normale Sache.«

Die neue Großwetterlage läßt sich noch kaum auf Begriffe bringen. Es geht mehr um Sehnsüchte als um deren Erfüllung. Da aber beides bei den atmosphärischen Schwankungen der Szene immer aufs engste verwoben war, wollen auch kleine Hinweise ernst genommen werden. Kein Klopfen am Kunstbarometer hilft, der Zeiger weist auf form-strenge Tendenzen, die das Etikett »konstruktiv« provozieren. Die »Wetterhäuschen«-Theorie scheint wieder einmal bestätigt.

Düsseldorfer Objektebauer müssen es sich gefallen lassen, »konstruktiv« genannt zu werden. »Prozeß und Konstruktion« nennt sich ein Münchener Ausstellungsvorhaben, das der designierte documenta-Chef Schneckenburger eröffnet. Er, es spricht sich allmählich herum, hat ein ins Konservative changierendes Verständnis von »konstruktiv« und keine Scheu, das ganze zu einer Frage der künstlerischen…

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