Siegen
Nach August Sander
Menschen des 21. Jahrhunderts
Museum für Gegenwartskunst 28.01.–29.05.2022
von Sabine Elsa Müller
August Sander (1876–1964) hat mit seinem monumentalen Lebenswerk „Menschen des 20. Jahrhunderts“ Maßstäbe gesetzt, und zwar beileibe nicht nur für die Fotografie, sondern für die Gattung des Portraits insgesamt. Sein Einfluss ist kaum zu überschätzen. Das erstaunt nicht angesichts der Tatsache, dass man selbst bei der wiederholten Wiederbegegnung mit diesen ikonografisch gewordenen Fotografien wie jetzt in der Siegener Ausstellung aufs Neue von deren Wucht getroffen wie gebannt davor verharrt.
Viele dieser Schwarzweißaufnahmen sind berühmt geworden, beispielsweise die Aufnahme der drei jungen Männer in offener Landschaft, die in ihrer Unmittelbarkeit im ersten Moment wie ein zufälliger Schnappschuss wirkt: So oft diese „Jungbauern“ (1914) im Sonntagsstaat, auf dem Weg zur Kirche oder zur Kirmes, auch schon betrachtet worden sein mögen, so wenig hat dieses Meisterwerk über die Jahre an Faszination eingebüßt. Liegt es am perfekten Bildaufbaus mit den bildparallel bzw. diagonal gesetzten Spazierstöcken im Kontrast zu den starken Waagerechten der zum Horizont gestaffelten Landschaft, oder sind es vielleicht doch die in ihrem ruhigen Ernst herüberschauenden Gesichter? Immer blicken die Menschen auf diesen Fotografien direkt in die Kamera, fast immer ohne jeden Anflug eines Lächelns, und verwandeln sich dabei gleich welchen Standes oder Alters in ein archetypisches Bildnis, in dem das Individuelle mit dem Allgemeingültigen verschmilzt.
Dass es Sander bei diesen Porträts um die Herausarbeitung der Prägung des Menschen durch Beruf, Stand und sozialer sowie lokaler Herkunft ging, zeigt sich eindrucksvoll in der fast naturwissenschaftlich anmutenden Struktur seiner Recherche. Die über 600…