Peter Mörtenböck & Helge Mooshammer
Performance des Protests
Viele der bekannten Symbole und Formen zeitgenössischen Protests beziehen ihre Kraft aus dem Herstellen eines Ausnahmemoments: Durch das rituelle Skandieren von Parolen, das gemeinsame Marschieren, das Tragen verbindender Utensilien, wie Flaggen oder farblich einheitlicher Kleidung. Die mediale wie ordnungspolitische Rahmung dieser Ausnahme hat sich im 21. Jahrhundert wieder verstärkt von der Darstellung ziviler Ausdrucksformen auf ikonische Bilder vom ungehemmten Gewalteinsatz der Polizei gegen einzelne am Protest beteiligte Personen verschoben. Speziell interessant sind drei Vorfälle der letzten Jahre, deren Dokumentation zum Symbol staatlicher Übergriffe geworden sind: Zunächst der Pfefferspray-Vorfall während eines Protestzugs der New Yorker Occupy-Bewegung, bei dem zwei bereits hinter einer Absperrung festgehaltene junge Frauen in scheinbar ‚sinnloser‘ Weise attackiert wurden; dann die Aufnahme einer jungen Frau in Kairo, die bei Protesten im Herbst 2011 von Sicherheitskräften an den Haaren durch die Straße gezerrt wurde, während ihr andere die Kleider von Leib rissen; und schließlich die aus unmittelbarer Nähe aus einem Reizsprühstoffgerät beschossene „Frau in Rot“, die als Symbol der Istanbuler Gezi-Park-Proteste internationale Bekanntheit erlangte.
Der bei diesen Protesten im Stadtraum ausgetragene Angriff auf den (weiblichen) Körper ist so zu einem markanten Schauplatz im Kampf um staatsbürgerliche Rechte geworden. An ihm werden Realitäten geformt, Handlungsmöglichkeiten kanalisiert und die Legitimität von Öffentlichkeitsbeteiligungen wahlweise anerkannt oder abgesprochen. Diesen auf der Bühne des zeitgenössischen Stadtlebens manifestierten Angriffen lässt sich, wie Judith Butler das ausgedrückt hat, nicht wirkungsvoll begegnen, indem wir bloß fordern, allem von den Autoritäten als irreal und unzulässig Erachteten Einlass in eine vorhandene Ontologie zu…