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Fragen zur Zeit · von Michael Hübl · S. 24 - 27
Fragen zur Zeit , 2013

Michael Hübl
Verloren im Dekor

Die Haudegen der Avantgarde sind im Alltag angekommen – Läuft ein Papst der Kunst den Rang ab?

Die Luft fühlt sich an wie Bratwurstdampfkonzentrat. Mit einer leichten Note von vaporisierter Essigsäure. Ätzend. Es scheint: Gegrillt wird in Nürnberg immer. Selbst bei Nebel. Die Namen, die Rémy Zaugg in die Steinfassade gegenüber dem Neuen Museum fräsen ließ, haben sich dennoch gut erhalten. Trotz der scharfen Beigabe zum großstadtüblichen Luft-Abgasgemisch. Kunst im öffentlichen Raum ist eben auf Langlebigkeit ausgelegt. So treffen die Passanten auf ein Quintett, dessen Zusammenstellung Gattungs- und Epochengrenzen überschreitet. Von links nach rechts gelesen verweisen die tiefen Inschriften auf: Hans Sachs, Feuerbach, Veit Stoß, Hegel, Albrecht Dürer.

Die erste Auffälligkeit: Künstler, ob Dichter, Bildhauer oder Maler, werden samt Vornamen aufgeführt, Philosophen nicht. Zum zweiten: Die Künstler lebten grosso modo in der gleichen Epoche, ebenso die Philosophen; Ludwig Feuerbach hat Georg Friedrich Hegels Logik-Vorlesungen gleich zweimal gehört, und bei Stoß, Dürer und Sachs wäre vorstellbar, dass sie sich irgendwann im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts auf ein Bier verabredet hätten. Drittens: Frauen kommen in Zauggs Auswahl nicht vor, obschon doch einige zur Disposition gestanden wären; immerhin haben Maria Sibylla Merian, Claire Goll oder Sandra Bullock ebenfalls etliche Jahre in Nürnberg gelebt. Denn darin, im zeitweiligen Wohnort, liegt, viertens, die Gemeinsamkeit der lapidaren Zusammenstellung. Wobei – unter fünf – anzumerken wäre, dass es Zaugg und seinen Auftraggebern wohl vorrangig um das Große Ganze, Universelle ging. Daher Feuerbach, der an den Grundfesten der Religion rüttelt, daher Hegel, der den…


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