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Titel: Betriebssystem Kunst · von Heinz-Werner Lawo · S. 212 - 213
Titel: Betriebssystem Kunst , 1994

Texte statt Kunst?

Heinz-Werner Lawo

Im Rückblick auf ihre langjährige Tätigkeit als Kunstkritikerin bekannte Barbara Rose: “I never wanted to be an art critic.”1 Für Kunstkritiker ist das typisch. Kaum einer wird es freiwillig oder gar mit dem klarem Ziel vor Augen, weshalb die Professionalierung zumeist mit einem mehr oder weniger zufälligen Quereinstieg beginnt.

Am Anfang steht vielleicht nur das unklare und schwärmerische Bedürfnis, das Gilbert & George einmal lakonisch und scheinbar ganz ohne Anspruch so formulierten: “To be with art is all we ask.”

Kunst hat ihre große Attraktivität durch die enge Verbindung mit der Macht. War sie über Jahrhunderte Ausdruck und Signum religiöser oder weltlicher Herrscher, so wurde sie in diesem Jahrhundert selbst zu einer autopoietischen Königin innerhalb der demokratischen Gesellschaft. An ihrem Hofe anwesend zu sein, ist ein Privileg, das die Kunst nur demjenigen verleiht, der sich ihrer feudalen – wenn nicht diktatorischen – Regierungsform freiwillig unterwirft, also ihre Autorität anerkennt und darüber hinaus die Gründe für diese Autorität durch eigene Bekenntnisse und Unterwerfungen festigt. Welche Funktion aber hat die Kritik am Hofe? Ist sie mehr als eine Institution für Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit, mehr als ein Protokollchef mit Richtlinienkompetenz für die Geschichtsschreibung? Warum überhaupt Kritik an der Kunst?

Kritik entspricht dem beiderseitigen Bedürfnis, die Gründe der Unterwerfung verstehen zu wollen. Dafür ist die Interpretation der einzelnen Kunstwerke nur der erste Schritt. Entscheidender ist die Frage, ob sich der Kunstrezipient der Kunst aus guten Gründen unterwerfen kann. Der Kritik geht es also um die Frage der Legitimation innerhalb eines wechselseitig bedingten Herrschafts- und…

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von Heinz-Werner Lawo

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