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Essay · von Reinhard Ermen · S. 226 - 231
Essay ,

Abschied von der Mechanik

Eine Phantasie von Reinhard Ermen

„Der Gott, der sich entfernt, ruft ein höherrangiges Andachtsgefühl hervor, als der Gott, der ankommt.“ 1

Die Künstliche Intelligenz ist in aller Munde, kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendeine KI durchs globale Dorf getrieben wird, um Informatik und Feuilleton in Atem zu halten. Das aktuelle Maschinenzeitalter, seine Systeme und Umgangsformen generieren einen eigenen, attraktiven Streitwert, nichts ist entschieden, alle Türen stehen offen. Die neuen Medien sind nicht mehr neu, digitale Technik ist selbstverständlicher Bestandteil, Thema und Mittel der Kunst, wir sind längst „postdigital“.2 In so einer aufgeregten Zeit das Stichwort von der MECHANIK, einem Synonym für das andere analoge, alte Maschinenzeitalter aufzugreifen, erscheint auf den ersten Blick befremdlich. Bereits 1968 als die Computertechnologie am Horizont sichtbar wurde, hatte Pontus Hultén das mechanische Zeitalter im Angesicht seines offensichtlichen Endes in einer grandiosen Ausstellung mit Kunstmaschinen von Leonardo da Vinci bis Nam June Paik im MoMa bilanziert: The machine as seen at the end of the mechanical age.3 Vielleicht war das etwas zu voreilig aber seherisch auf jeden Fall, im Museé Tinguely sieht man das ohnehin etwas anders und zeigt durchaus zuversichtlich noch lange danach „Bewegliche Teile, Formen des Kinetischen“.4 Mechanik als main technology mag gewesen sein, aber die Gegenwart ist pure Mechanik, das Blitzlichtgewitter, mit dem KI und Konsorten empfangen werden, produziert in Bezug auf die anderen, tagtäglichen Gebrauchstechnologien ein seltsames Zwielicht. Während der ICE Unsereinen immer schneller nach vorne schießt (noch werden wir nicht gebeamt), etwa von Köln HBF nach Frankfurt Flughafen…

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