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Ausstellungen: Berlin · von Matthias Reichelt · S. 236 - 237
Ausstellungen: Berlin ,

Berlin
Zerreissprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft

Sammlung der Nationalgalerie 1945 – 2000
Neue Nationalgalerie 18.11.2023 – 28.09.2025

von Matthias Reichelt

Der Titel Zerreißprobe ist der gleichnamigen Performance des Wiener Aktionisten Günter Brus von 1970 entlehnt. Seine Aktion der Selbstviktimisierung durchbrach Tabus in der Kunst und berührte nicht nur christliche Mythologie, sondern auch den Zustand einer Gesellschaft, die die begangenen und geduldeten Verbrechen unermesslichen Ausmaßes des NS-Regimes mit Schweigen quittierte. Die brachiale Aktion war Schlusspunkt von Brus’ Beschäftigung mit dem eigenen Körper als Objekt und Malgrund, inklusiver Entnahme des Materials in Form von Blut, Kot, Urin, Speichel, Schweiß und Tränen. Die Formung zur Skulptur seiner selbst durch Malträtierung und Verstümmelung mit einer Rasierklinge wäre nur noch durch den Suizid zu steigern gewesen, weshalb er damit Schluss machte.

Der Titel Zerreißprobe dient dem Kurator*innen-Team als Metapher für die Spannungen im Kalten Krieg durch die bipolare und antagonistische Weltordnung von USA / NATO und UdSSR / Warschauer Pakt einerseits. Andererseits soll der Terminus auch auf die kulturellen und politischen Krisen verweisen, verursacht durch technische Neuerungen und politische Entscheidungen, die sich in Kämpfen und Protesten ausdrückten und ihren Nachhall in der Kunst fanden. Solche Kapitel widmen sich u. a. eindrucksvoll der Befreiung des Körpers und Flüchtiger Identitäten. Das Kurator*innen-Team knüpft damit an eine Tradition der Neuen Nationalgalerie an, die Sammlung in zentralen Themenausstellungen zu präsentieren. 2010 widmete sich Moderne Zeiten nach Charlie Chaplins meisterlichen Film der Periode 1900 – 1945, 2011 Der geteilte Himmel nach Christa Wolfs Roman der Zeit 1945 – 1968 und unter Michel Houellebecqs…

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von Matthias Reichelt

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