Nicht zu fassen
Flüchtige Geschichten von Geruch, Kunst und olfaktorischer Kunst
von Katharina J. Cichosch
Einen Essay oder auch einen thematischen Band über olfaktorische Kunst zu verfassen, ist ähnlich vermessen wie ein ebensolcher Essay über die Malerei schlechthin wäre. Anekdotische Annäherung an eine Welt, die immer schon da ist.
Man könnte 1913 beginnen, mit Carlo Carràs La Pittura dei suoni, rumori, odori: Manifesto futurista, einem von vielen futuristischen Manifesten, in dem der Künstler die Malerei der Töne, der Geräusche, der Gerüche propagiert.1 Mit den ersten Versuchen eines Geruchskinos, wie es Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA aufs Publikum losgelassen wurde. Man könnte beginnen mit Marcel Duchamp, natürlich, oder mit dem intensiven Geruch gerösteter Kaffeebohnen auf der Exposition Internationale du Surréalisme in Paris 1938. Mit Jean Tinguely, dem multisensorischen Künstler, der so viele Sinne in seine Kunst einbrachte. Oder man beginnt mit Caflo Yrot, dem ukrainischen Arzt und Künstler, der in seiner Freizeit fernab jeglicher Avantgarde fantastische Erfindungen wie den Odorgraph entwickelte (1912), olfaktorische Performances aufführte und überhaupt das experimentelle Gehalt des Geruchs umfassend ausprobierte. Doch selbst dann gäbe es kaum mehr als wenige Berichte über jene sagenhaften Momente; das künstlerische Material, die olfaktorische Materie selbst findet man allenfalls noch in einer Werkbeschreibung, sie hat sich bis heute hoffnungslos verflüchtigt. Die Kunstgeschichte des Geruchs ist eine ephemere – und auch deshalb eine, die bis heute von vielen als nischig bis vollkommen irrelevant wahrgenommen wird. Man kann sie kaum verkaufen und nur leidlich niederschreiben oder gar abbilden. Ausstellen ja, aber reproduzieren war lange Zeit…