Das Starke an der schwachen Phantasie
Eine philosophische Reflexion
von Burghart Schmidt
Kreativität, ein Modewort, ein Modebegriff, ein Modeprogramm, lärmt und tobt durch alle Gassen, Straßen und über die Plätze. Die Angelegenheit des Wortes hat geradezu magische Bedeutung gewonnen, als wäre sie ein Allheilmittel – ein Allheilmittel für:
– die Sanierung von Stadtquartieren in einem Aufwertungsprozess
– das Steigern des Werts von Kulturellem, Theoretischem wie Gestalterischem
– Gewinnmaximierungen, für Demokratisierungen und Sozialisierungen
– Ästhetisierungen und nicht auch zuletzt für Entwicklungshilfe nachhaltiger Art in der Dritten Welt
– den Ausgleich von Stadt-Land-Gegensatz, Versöhnen von Globalisierung mit Regionalitätssteigerung in Diversität, eben auch für Umweltschutz und technische Versöhnung mit der Natur
– das Entspannen der Scherenöffnung zwischen Arm und Reich
Wie ist es denn aber zu dieser Wunder-Vorstellung der Kreativität gekommen?
Das Ende der Utopien
Man muss für dieses Lärmen und Toben wohl das Jahr 1990 nehmen mit der Selbstauflösung des Ostblocks. Damals kam als erste ideologische Folge im Westen die neuerlich heftige Rede vom Ende der Utopien auf, indem das Sowjetsystem sich selbst als gescheitert erklärt habe. Viele Buchtitel dieser Art tauchten auf. Obwohl das eine merkwürdige Weise der Argumentation darstellte. Man nahm das Scheitern des in der Menschheitsgeschichte wohl stärkst antiutopischen Systems zum Beleg für das Erledigtsein der Utopien – komisch.
Zum Beleg des Antiutopischen im Sowjetsystem: So manches Gerichtsurteil dort schickte mit dem Spruch vom utopischem Abweichlertum so Manchen entweder in den Archipel Gulag, wenn dieses utopische Abweichen als Straftatbestand eingeschätzt wurde, oder, wenn es als Krankheitssymptom beurteilt wurde, dann schickte…