Begriffsgeschichte und Begriffswandel von Kreativität
Rück- und Rundblick auf Themenbände von KUNSTFORUM International
von Jürgen Raap
Das KUNSTFORUM International hat in den vergangenen vierundvierzig Jahren immer wieder die unterschiedlichen Kreativitätsstrategien und ihre Diskussionen in der Kunstkritik dokumentiert. Ein zeitgenössischer Rück- und Rundblick auf die Themenbände macht deutlich, wie die Künstlerrolle und der Kreativitätsbegriff sich in der Epoche der Postmoderne verändert haben.
Kreativität und „Künstlerstars“
Einen solchen Begriffswandel konstatierte Klaus Honnef bereits beim „Kreativitätswahn“ der 1970er-Jahre. Um das Jahr 1977 begann der Kölner Galerist Paul Maenz, die italienischen „Transavantguardia“-Künstler (Chia, Cucchi, Clemente u.a.) im Kunsthandel hoch zu pushen und kurze Zeit später auch die neo-expressionistischen Maler der „jungen deutschen Wilden“ in der Gruppe „Mülheimer Freiheit“ um Walter Dahn und Jiri Georg Dokupil. Nachdem die von weiten Teilen des Publikums eher als spröde empfundenen Richtungen der Concept Art und der Minimal Art jahrelang den Ausstellungsbetrieb bestimmt hatten, bedienten nun diese jungen Maler den neu erwachten „Hunger nach Bildern“ (Wolfgang Max Faust). Zugleich wurde in jenen Jahren nichts mehr missverstanden als die Behauptung von Joseph Beuys, dass jeder Mensch ein Künstler sei.
Angesichts dessen beklagte Klaus Honnef „die Welt“ als „ein Tollhaus der Kreativität“ und beschrieb den damaligen Kreativitätsboom als gesellschaftliches Ergebnis einer Begriffsverschiebung seit den 1950er Jahren: „Augenscheinlich ist der Begriff Kreativität, der im Gegensatz zu dem der Kreation in der Kunstdiskussion merkwürdigerweise heimisch geworden ist, an die Stelle des Ausdrucks Schöpfung getreten. … Der informellen Kunst war die Umschreibung Schöpfung für die Resultate künstlerischer Tätigkeit sicherlich angemessen.“1
Doch mit dem Tachismus der 1950er Jahre sei…