vorheriger
Artikel
nächster
Artikel
Ausstellungen: St. Gallen · von Max Glauner · S. 328 - 330
Ausstellungen: St. Gallen , 2014

Max Glauner
Marinella Senatore

»Public Secrets«
Kunsthalle St. Gallen, 1.2. – 13.4.2014

Das Bild prägt sich ein: Ein Dutzend Mädchen paradiert in bunten Balletttrikots, Pömps und Tutu, das Haar im strengen Dutt gezähmt, von rechts nach links eine enge Straße herunter, das linke Bein, den rechten Arm graziös zum nächsten Schritt erhoben. Die asphaltierte Straße ist von bescheidenen, doch gepflegten einstöckigen gelben Backsteinreihenhäuschen gesäumt, die so wohl nur in englischen Arbeiterquartieren zu finden sind. Den Mädchen folgt im Hintergrund in enger Formation eine Blaskapelle in blauen Uniformen. Das Still stammt aus der Vidoinstallation „Rosas: The Trilogy“ (2013) der 1977 in Cava de’ Tirreni oberhalb von Salerno geborenen und heute in Berlin lebenden Künstlerin Marinella Senatore. Worin liegt die Faszination des Bildes? Sie speist sich zunächst aus dem eigenwilligen Gegensatz der graziösen Mädchen und der geputzten Häuser. Der surreale Eindruck wird dadurch noch verstärkt, dass fehlt, was bei solcherlei Veranstaltungen in der Regel zugegen ist: das Publikum. Nur das Auge der Kamera verfolgt die solchermaßen narzistische Prozession, wodurch man hinter der offensichtlichen Lebensfreude auch den Gleichschritt von Fassaden und der tanzenden Eleven und damit sozialen Druck und Konformismus lauern sieht, den sie durch ihre Aktion weniger konterkarieren als affirmieren.

Diese Ambivalenz wohnt freilich den meisten bewegten und unbewegten Bildern inne, die sich des Schauwerts formatierter Festumzüge bedienen, gerade wenn sie sich von partizipativen Arbeiten und Projekten herleiten, wie bei Jeremy Dellers „Procession – Manchester International“ (2009) oder dem fürs Fernsehen zurechtgemachten Karneval. Ausnahmen sieht man bei Francis Alÿs’ Video „Seven Walks“ (2005), in…



Kostenfrei anmelden und weiterlesen:

  • 3 Artikel aus dem Archiv und regelmäßig viele weitere Artikel kostenfrei lesen
  • Den KUNSTFORUM-Newsletter erhalten: Artikelempfehlungen, wöchentlichen Kunstnachrichten, besonderen Angeboten uvm, jederzeit abbestellbar
  • Exklusive Merklisten-Funktion nutzen
  • dauerhaft kostenfrei