Andreas Denk
Marlene Dumas
Bonner Kunstverein, 11.5. – 11.7.1993
Marlene Dumas’ Themen sind offenbar aus ihrem unmittelbaren Lebensumfeldern gegriffen. Im Mittelpunkt ihrer Malerei steht der Mensch, in fast allen Seinszuständen: “A Dead Man” (1988) – auf düster grünem Grund ragt vom rechten oberen Bildrand der fahle nackte Oberkörper des offenbar Toten ins Bild. Die ausgebreiteten, nur diffus mit einem wolkigen Farbknäuel und einem knöchernen, schwarz-beigen Stumpf angedeuteten Arme verspannen den Körper kreuzförmig im Bild. Der Kopf des Mannes hingegen hat die Farbe des Untergrunds; in Partien geht das weißlich überhöhte Inkarnat unmittelbar im undefinierten Untergrund auf: Die Malerin hat nicht nur den Moment des Gestorbenseins eines Menschen erfaßt, sondern den Prozeß des Vergehens mit einbezogen.
Die eigenwillige Motivauffassung der in den Niederlanden lebenden Südafrikanerin reflektiert einerseits alltägliche Bilder, lädt sie andererseits jedoch mit malerischen Ausdruckswerten auf, die aus einer subjektiven und kritischen Analyse entwickelt sind. Einen thematischen Schwerpunkt ihrer Arbeit bildet eine Reihe von Arbeiten zum Thema Kind, die Dumas’ Erleben eigener Mutterschaft entsprungen sind. Diese Bilder geraten nicht zu romantisierenden Variationen des “Kindchenschemas”, sondern werden zu bissigen, gelegentlich bis ins Karikierende zugespitzten, psychologisch aufgeladenen Manifestationen zwiespältigen seelischen Ausdrucks. Vier eigenartig kolorierte überlebensgroße Ganzportraits von nackten Babies (“The First People I – IV”, 1991), die vor monochromen Hintergründen schweben, wirken wie Kronzeugen der Bedingtheit menschlicher Existenz schlechthin: Jenseits jeder Niedlichkeit ist hier das bloße “häßliche” Dasein von Neugeborenen ins Bild gesetzt. Ähnliche Ambivalenz entwickeln auch Dumas’ “Snowwhite”-Bilder, hinter deren Titelfigur sich die auch dichtende Malerin selbst verbirgt. In “Snowwhite and the Next Generation”…