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Titel: 55. Biennale Venedig · von Michael Hübl · S. 26 - 43
Titel: 55. Biennale Venedig , 2013

Michael Hübl
Mit der S.S. Hangover Richtung Nirwana

Die 55. Biennale di Venezia zwischen politischer Dienstleistung und metaphysischer Unverbindlichkeit

Rai 2 weiß wie Europa geht. Am Abend, bevor das Giga-Biennale-di-Venezia-Preview-Event beginnen sollte, startete Italiens öffentlich-rechtlicher TV-Sender die 16. Staffel der Serie „Squadra speciale – Cobra 11“1. Heiße Reifen, zwielichtige Akteure, Geiselnahme und das alles mit kräftigem regionalen Akzent, wie er schon im Titel anklingt: „Lo zio Ben – in maschera“ (Onkel Ben – maskiert) handelt während des Kölner Karnevals. Wie alle Folgen vorher ist auch diese synchronisiert, und so kommt es, dass der Schauspieler Erdoğan Atalay einen Kriminalhauptkommissar mit türkischem Familienhintergrund darstellt und dabei ebenso Italienisch spricht oder schreit wie der obskure Vereinspräsident, den er jagt. Dessen Lieblingsbeschäftigung ist es anscheinend, Prunksitzungen zu leiten, selbstredend tutto in italiano e sempre con un grandissimo „Kelle alaaf!“. Parlando, Parlando und wieder „Kelle alaaf!“ Dazwischen als Musikkulisse, diesmal in Originalsprache: „Da simmer dabei, dat is prima!“ Mammamia, che bella Sprachverwirrung.

Als Europa-Hymne dürfte der forsche Schlager wenig taugen. „Da simmer dabei“? – die Türkei wartet seit Jahrzehnten darauf, in die EU aufgenommen zu werden2, während andernorts, schon gar in Deutschland, immer wieder der Ruf laut wird, den Staatenbund zu verlassen. „Dat is prima“? – bezogen auf die Europäische Union macht sich diese Optimismusfloskel in Spanien oder Griechenland wohl kaum jemand zueigen. Obwohl doch die „Höhner“ in ihrem Unermüdlich-Gute-Laune-Song ganz auf grenzüberschreitende Verständigung setzen: Ihr Motto „Viva Colonia!“ wird diesseits und jenseits der Alpen verstanden. Aber darüber freuen sich vielleicht die Rundfunkstationen – die Missklänge übertönt es…


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