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Titel: Kunst und Wissenschaft · S. 182 - 187
Titel: Kunst und Wissenschaft , 1986

DIERK STEMMLER
Pavillon BRD: Sigmar Polke

Die Beschwörung des Menschen durch Räume und Zeiten in fernwirkenden Reagenzien und Utopien der Farben.

Der Meteorit und der Bergkristall begegnen sich durch die Regie des Künstlers auf eine vielfältig besondere Weise: der kosmische Eindringling dem erdgewachsenen Kristall, die eigentümlichen kristallinen Gitter mit ihrem Richtungswechsel und ihren ‘Nähten1 eines Meteoritenquerschnitts den hexagonalen Prismen und Pyramiden des Quarz im Vergleich beider Strukturen; die des einen sind jedoch im unberührten Stück unsichtbar eingeschlossen, die des anderen durchsichtig; hier der Dunkle, dort der Helle; dieser aus der Tiefe ans Licht gehoben, jener schoß vor vielleicht 60 Millionen Jahren mit einer Geschwindigkeit von schätzungsweise bis zu 70 km pro Sekunde weiß aufglühend in die Erdatmosphäre -Farbenwechsel beim Grenzübertritt, auch Veränderungen der äußeren Gestalt durch Furchen, hochgepreßte Eisenzungen…

Die Anwesenheit des Meteoriten und des Quarz vertiefen Raum-Zeit-Vorstellungen rückwärts und in die Zukunft in Äonen jenseits des Nachvollziehbaren – kosmetische Zeit, Erdzeit, ungeahnte Zukunft.

Der Kunst-Raum öffnet sich der Natur und ihren Zeiträumen nicht nur auf diese Weise. Natur greift auch unmittelbar in die Bildprozesse ein: hier Licht, dort Feuchtigkeit, woanders Wärme – auch die des Menschen – verursachen nachhaltige Reaktionen oder erzeugen rasch ein neues visuelles Resultat, mit ihm ein geistiges, das den sinnlich-spirituellen Kontext des Ganzen durch Veränderlichkeit erweitert.

So übertrug Polke die fotochemischen Eigenschaften von Entwickler-Materialien auf Leinwände, jedoch nicht im simplen technischen Transport. Die t mit Silberverbindungen gemalten Bilder vereinen den Duktus des Malens mit der Handschrift der Natur. Reaktionen auf das nicht nur virtuell, sondern substantiell mitwirkende Licht beginnen unmerklich…


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