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Ausstellungen: Basel · von Carmela Thiele · S. 281 - 282
Ausstellungen: Basel , 2016

Carmela Thiele
Prière des toucher

»Der Tastsinn in der Kunst«
Museum Tinguely, Basel, 12.2. – 16.5.2016

Ohne Tastsinn aber kann es gar keinen Wahrnehmungssinn geben“, das wusste bereits Aristoteles. Der Phänomenologe Maurice Merleau-Ponty ging noch einen Schritt weiter, er sagte: „Man kann nicht etwas spüren, ohne sich selbst zu spüren“. Solche Zitate stimmen am Eingang der Ausstellung „Prière de toucher. Der Tastsinn der Kunst“ im Basler Museum Tinguely die Besucher auf „taktiles Sehen“ (Jean-Luc Nancy) ein. Es gilt, 220 Werke von 70 Künstlern mit anderen Augen wahrzunehmen – was auch weitgegend gelingt.

Es ist schon erstaunlich, welche Kronzeugen Kurator Roland Wetzel für sein Tastsinn-Plädoyer ins Feld führen kann. So hatte der Futurist Filippo Tommaso Marinetti bereits 1920 ein aus Samt, Seite, Wolle, Federn, Schwamm, Reibe und Schleifpapier gebasteltes Fühlkino geschaffen, das er „Sudan-Paris“ nannte. Dem Experiment folgt ein Jahr später Marinettis Manifest „Il Tattilismo“. An dieser Stelle nickt der Laie und staunt der Kenner. Angesichts der Werke von Marcel Duchamp hingegen, die Wetzel als „Kernbereich“ der Ausstellung bezeichnet, staunt der Laie und nickt der Kenner.

Duchamp gilt als Begründer der Konzeptkunst, einer noch heute schwer zugänglichen Gedankenkunst, die alltägliche Objekte in Readymades, also in Kunst verwandelt. Der Franzose hat er sich strikt gegen eine „retinale Kunst“ ausgesprochen, also gegen die – meist als sinnlich apostrophierte – Malerei. Die landläufige Klassifizierung des Werks Duchamps muss jedoch nach Betrachten der Basler Exponate (und im Einklang mit der neueren Duchamp-Forschung) relativiert werden. So steuert der Franzose für eine Surrealisten-Ausstellung 1947 eine nur vordergründig provokante Cover-Gestaltung eines als…



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