Tom Kummer
Good Morning Los Angeles.
Die tägliche Jagd nach der Wirklichkeit
Ein Gespräch von Florian Waldvogel
Florian Waldvogel las bereits in den 1980er-Jahren mit Vorliebe die Interviews von Tom Kummer im deutschen Magazin Tempo. Als Kurator und Leiter des Hamburger Kunstvereins lud er den seit 1994 in Los Angeles lebenden Autor, Ghostwriter und Kunstsammler anlässlich der Ausstellung Freedom of Speech 2011 nach Hamburg ein, beleuchtete Kummers jahrelange Praxis der fiktiven Interviews – rund zwei Dutzend sind entstanden – die er mit Celebrities aus L.A. wie Sharon Stone, Snoop Doggy Dog, Tom Hanks, Courtney Love, Brad Pitt „nicht-führte“ und thematisierte im Kunstkontext das Interview als künstlerische Praxis. Daraus ergab sich eine Freundschaft. Das vorliegende Gespräch wurde als E-Mail-Interview im November 2015 geführt. Waldvogel stellt eine Frage, Kummer antwortet, Waldvogel bezieht sich in seiner nächsten Frage unmittelbar auf die vorherige Antwort, es entsteht ein virtueller Schlagabtausch.
Florian Waldvogel: Tom, Du lebst nun seit 21 Jahren im amerikanischen Oberammergau, in Los Angeles. Wie kam es zu dieser Entscheidung nach L.A. zu ziehen? War 1994 New York nicht die interessantere Stadt?
Tom Kummer: New York war damals längst erschöpft … erstickt am eigenen Mythos … Los Angeles erschien frisch und unbefleckt, fast unschuldig, wie zu den Anfängen von Popkultur. Mich hat damals die Sehnsucht nach einer Form unmittelbaren Ausdrucks interessiert, wie sie junge Kunst ja in ihrer Unschuld für sich reklamieren will. Und es wurde sehr rasch klar, dass die West-Coast-School radikaler, außenseiterischer und „funkier“ auf Strömungen reagierte als die New York School. Das sollte zwanzig Jahre später…