Reworlding
Künstlerische Positionen zur Dezentrierung des Subjekts
Nimmt man künstlerische Werke als Symptomanzeige der Gegenwart und als Seismografen der Zukunft ernst, stellt sich die Frage, welche Rolle die Kunst bei der Suche nach neuen Zugängen zur Welt einnehmen kann. Reworlding ist in diesem Zusammenhang zum Schlagwort einer Sehnsucht nach Mitgestaltung geworden – in der Besinnung darauf, was uns angesichts von Krisensymptomen verbindet und überlebensfähig macht. Donna Haraway hat hierfür auch den Begriff der Sympoiesis geprägt: Nichts bringt sich demnach selbst hervor, nichts entsteht autopoietisch oder selbstorganisierend.
Welterleben ist nach diesem Verständnis eine Erfahrung des „becoming with“, des „worlding with“. Die gehäkelten Korallenriffe von Margaret und Christine Wertheim begreift Haraway etwa als „sympoietische Verknotung“ von Mathematik, Meeresbiologie, Umweltaktivismus, ökologischer Bewusstseinsbildung, weiblicher Handarbeit, Textilkunst, Museumsausstellung und gemeinschaftlicher Kunstpraxis.13 [siehe das Gespräch S. 226].
Reworlding geht in diesem Sinne mit einer ästhetischen Neuausrichtung einher. Inwieweit Kunst dazu beitragen kann, „Welt“ neu zu entwerfen, steht jedoch zur Disposition. Sie müsste nämlich hierzu auch ihre eigenen Produktionsprinzipien und Verfasstheiten grundlegend anders definieren. Denn wenn sie in ihrem ästhetischen Rahmen verharrt, so bleibt sie ihrem Status als Utopie verhaftet. Rückt sie an die Schnittstellen von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft heran, verliert sie all zu leicht ihren Status als Instrument der Kritik und agiert affirmativ.
2019 wurde etwa Olafur Eliasson von der UN zum Sonderbotschafter für Klimaschutz und nachhaltiger Energie ernannt. Die mit diesem Akt verbundene Zuschreibung der Vorbildlichkeit der Figur des Künstlers lässt sich durchaus auch als politisch-ökologische Ersatzhandlung deuten: Mit der Ästhetisierung wird reanimiert, was durch…